Rz. 10

Die gesetzliche Vermutung zweier Leistungskommissionen nach § 3 Abs. 11a S. 1 UStG tritt nicht ein, wenn die Voraussetzungen der S. 2 und 3 erfüllt sind. In diesem Fall gelten die allgemeinen Regeln für die Bestimmung des Leistungsaustauschs bei sonstigen Leistungen. Insoweit unterscheidet sich die Regelung von den Folgen der allgemeinen Leistungskommission nach § 3 Abs. 11 UStG, bei deren Vorliegen die allgemeinen Regelungen unwiderlegbar verdrängt werden. Während S. 2 die Voraussetzungen regelt, bei deren Vorliegen die gesetzliche Vermutung nach S. 1 nicht eingreift, enthält S. 3 hierzu die Definition, wann diese Voraussetzungen erfüllt sind.

Diese Ausnahmeregelung ergibt sich aus den Vorgaben von Art. 9a Abs. 1 S. 2 MwStVO, nach dem die Vermutung nur dann widerlegt werden kann, wenn

  1. der Anbieter der elektronischen Dienstleistung von dem Unternehmer ausdrücklich als Leistungserbringer genannt wird und
  2. dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt.
 

Rz. 10a

In diesem Zusammenhang geht der BFH davon aus, dass im Falle einer objektiv mehrdeutigen Erklärung, die sowohl als Handeln im eigenen als auch als Handeln im fremden Namen verstanden werden kann, Unklarheiten zulasten des Erklärenden gehen.[1] Außerdem ist grundsätzlich die Person als leistender Unternehmer anzusehen, die ein Gewerbe angemeldet hat oder Inhaber einer Konzession ist, hinsichtlich der davon umfassten Leistungen (sog. Ladenrechtsprechung des BFH).[2]

Das FG Hamburg geht davon aus, dass die Grundsätze der sog. Ladenrechtsprechung auch auf In-App-Käufe aus Spielen auf mobilen Endgeräten (insbes. Smartphones) anwendbar sind.[3]

Auch bei über das Internet bezogenen kostenpflichtigen Leistungen sei das Außenverhältnis wesentlich, d. h. das Auftreten des Betreibers einer Internetseite dem Nutzer gegenüber. Nur wenn der Betreiber einer Internetseite in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass er für einen anderen tätig wird, also in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt, könne nach Auffassung des FG Hamburg die Vermittlereigenschaft des Betreibers der Internetseite umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden.[4] Eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage steht noch aus.[5]

Zu klären ist insbesondere, ob bei In-App-Käufen die Internetplattform oder der App-Anbieter die Leistung erbringt.

 

Rz. 10b

Das Thüringer FG geht im Fall von Online-Rechtsberatungsleistungen eines inländischen Rechtsanwalts, die über den Betreiber eines Portals angeboten werden, davon aus, dass eine Dienstleistungskommission nicht vorliegt, weil für den Endnutzer erkennbar sei, dass der Betreiber des Portals nicht in die Rechtsberatung einbezogen ist.[6]

 

Rz. 10c

Im Rahmen von Online-Spielen stellt sich die Frage nach der Erfüllung der Ausnahmeregelungen von § 3 Abs. 11a S. 2 UStG. Der BFH hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass im Gegensatz zur spielinternen "Vermietung" von virtuellem Land bei einem Online-Spiel der Umtausch einer Spielwährung als vertragliches Recht in ein gesetzliches Zahlungsmittel (im Streitfall über eine von der Spielbetreiberin verwaltete Börse) eine steuerbare Leistung begründet und die Spielbetreiberin nach § 3 Abs. 11a UStG im Hinblick auf die Übertragung der Spielwährung über die von ihr betriebene Online-Börse als im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelt.[7]

[1] BFH v. 3.2.2021, XI B 45/20, BFH/NV 2021, 673, HFR 2021, 606. Die Entscheidung für die Streitjahre bezieht sich auf § 3 Abs. 11 UStG, lässt sich inhaltlich aber auch auf den zum 1.1.2015 in Kraft getretenen § 3 Abs. 11a UStG anwenden.
[2] BFH v. 3.2.2021, XI B 45/20, BFH/NV 2021, 673, HFR 2021, 606 m. w. N. zur Rechtsprechung in Rz. 37.
[3] FG Hamburg v. 25.2.2020, 6 K 111/18, Haufe-Index 13857695, EFG 2020, 874.
[4] FG Hamburg v. 25.2.2020, 6 K 111/18, Haufe-Index 13857695, EFG 2020, 874.
[5] Revision der Verwaltung beim BFH mit dem AZ XI R 10/20.
[6] FG Thüringen v. 22.10.2019, 3 K 309/19, Haufe-Index 13881136, EFG 2020, 805, rkr. Die Entscheidung für die Streitjahre beziehen sich auf § 3 Abs. 11 UStG, lässt sich inhaltlich aber auch auf den zum 1.1.2015 in Kraft getretenen § 3 Abs. 11a UStG anwenden. Die vom Stpfl. eingelegte Revision wurde durch Beschluss v. 1.6.2021, XI R 11/20 als unzulässig verworfen.

3.2.1 Voraussetzungen der Ausschlussgründe

 

Rz. 11

Sofern der Anbieter der sonstigen Leistung ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt, entfällt die gesetzliche Vermutung der Leistungskommission (§ 3 Abs. 11a S. 2 UStG). Es handelt sich dabei um zwei kumulative Voraussetzungen der Ausnahmeregelung, für die durch S. 3 definiert wird, unter welchen Voraussetzungen sie erfüllt sind. Zwar erscheint in diesem Zusammenhang die Verwendung des Wortes "Bedingung" im Singular angesichts der in der betroffenen Ausnahmeregelu...

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