Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerliche Behandlung von Online-Rechtsberatungen über das Onlineportal „JustAnswer”

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Erbringung von sonstigen Leistungen über das Internet kommt es für die Frage, ob ein Onlineportal selbst Vertragspartner eines Dritten (Kunden) wird, entscheidend darauf an, ob das Onlineportal in eindeutiger Weise vor oder bei dem Geschäftsabschluss zu erkennen gibt, dass es in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt und der Kunde, der dies erkannt hat, sich ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden erklärt.

2. Ein selbständiger Rechtsanwalt erbringt mit Beratungsleistungen über die Onlineplattform JustAnswer sonstige Leistungen an den Kunden als Leistungsempfänger, die im Inland steuerbar und steuerpflichtig sind. Nach den Geschäftsbedingungen des Portals findet bei diesen Leistungen zum einen ein Leistungsaustausch zwischen dem Rechtsanwalt und dem Kunden und ein weiterer Leistungsaustausch zwischen dem Rechtsanwalt und dem Onlineanbieter statt.

3. Da der Rechtsanwalt aufgrund der Anonymität seiner Kunden nicht nachweisen kann, wo seine Kunden ansässig waren, und auch keine Angaben zu einer ggf. vorliegenden Unternehmereigenschaft der Kunden gemacht hat, ist vorliegend vom Regelfall einer Leistungserbringung an im Inland ansässige Privatpersonen auszugehen.

4. Der Auffassung, dass im Streitfall wegen einer (ggf. fingierten) Dienstleistungskommission vorliegend Empfängerin der Beratungsleistungen des Rechtsanwalts die Onlineplattform „JustAnswer” gewesen und diese wiederum als Leistungserbringerin an die Endkunden anzusehen sei, ist nicht zu folgen.

 

Normenkette

UStG § 3 Abs. 9, 11, 11a, § 3a Abs. 1-2

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 01.06.2021; Aktenzeichen XI R 11/20)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger durch rechtliche Beratungen im Internet umsatzsteuerbare und steuerpflichtige Leistungen erbracht hat. Streitig sind dabei insbesondere der Ort der sonstigen Leistung und die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage bei Onlinedienstleistungen (Online-Rechtsberatung).

Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt unternehmerisch tätig. Er betreibt zwei Anwaltskanzleien in A und B. Neben Beratungsleistungen vor Ort erbrachte der Kläger in den Streitjahren auch rechtliche Beratungen im Internet.

Der Kläger war in den Streitjahren seit seiner Registrierung Ende 2009 über den Onlineanbieter JustAnswer mit Sitz in San Francisco/USA (Drittland) gegenüber Dritten rechtlich beratend tätig. Der Onlineanbieter betreibt die Internetseite JustAnswer.de, über die die Kommunikation zwischen dem Kläger als dem rechtsberatenden Anwalt und dem Dritten (Kunden) erfolgte.

Das Geschäftsmodell des Onlineportals JustAnswer ist dergestalt aufgebaut, dass deren Nutzer (Dritte) sich zu verschiedenen Themen (Recht, Medizin, Medien usw.) von Fachkundigen (sog. Experten) beraten lassen können und im Anschluss an die Onlineberatung frei entscheiden können, ob und in welcher Höhe sie die Beratungsleistung vergüten. Das Geschäftsmodell des Onlineanbieters garantiert Dritten (Empfänger der Beratungsleistungen), dass diese über die Onlineberatung anonym bleiben können. Mithin kann bezüglich des Empfängers der Beratungsleistungen nicht bestimmt werden, ob es sich um Privatpersonen oder Unternehmer i.S.d. § 2 UStG handelt bzw. wo deren Betriebsstätte belegen ist.

Ist ein Empfänger der Beratungsleistung beispielsweise mit einer Beratung nicht zufrieden, steht es in dessen freiem Ermessen, die Beratungsleistung nicht zu vergüten. Der Onlineanbieter wirbt auf diese Weise Kunden, indem er diesen garantiert, dass man nur bei zufriedenstellender Beratungsleistung auch zahlen muss, wofür der Kunde zuvor beim Onlineanbieter ein Guthaben kauft. Sofern der Dritte sich dafür entscheidet, die Beratungsleistung zu vergüten, zahlt er die Vergütung an den Onlineanbieter, der 50 % dem Experten auf seinem virtuellen Konto gutschreibt und 50 % als Provision einbehält. Der Experte stellt monatlich eine Rechnung an den Onlineanbieter, wodurch dieser die Auszahlung der Gutschrift (50 % der Leistungsvergütung) vom virtuellen Guthabenkonto veranlasst. Die Auszahlungen erfolgen über den Onlinezahldienst „PayPal”, welcher zum Tagesumrechnungskurs von US-Dollar und Euro umrechnet und den Auszahlungsbetrag auf das Kontokorrentkonto des Experten gutschreibt.

Damit der sog. Experte über die Onlineplattform beratend tätig werden kann, muss er sich bewerben und seine Qualifikation gegenüber dem Onlineanbieter nachweisen.

Wird man anschließend als Experte zugelassen, schließt man online einen Vertrag mit dem Onlineanbieter ab. In dessen Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind hierzu u.a. folgende Regelungen getroffen:

  • der Onlineanbieter betreibt lediglich die Internetseite,
  • der Onlineanbieter übernimmt keine Haftung für den Inhalt der Beratung,
  • bei der Beratung entsteht ein Vertragsverhältnis zwischen dem Experten (RA) und dem Dritten,
  • die Experten haften persönlich für den Inhalt der Beratung,
  • der Onlineanbieter übernimmt k...

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