Rz. 42

In § 3 Abs. 3a UStG sind zahlreiche Legaldefinitionen enthalten. Davon bezieht sich die Definition der elektronischen Schnittstelle in S. 3 (Rz. 43ff.) auf beide Fallgestaltungen nach § 3 Abs. 3a S. 1 und S. 2 UStG. Die übrigen Definitionen der S. 4 bis 6 beziehen sich nur auf den durch § 3 Abs. 3a S. 2 UStG geregelten Fernverkauf.

4.1 Elektronische Schnittstelle i. S. d. S. 1 und 2 (§ 3 Abs. 3a S. 3 UStG)

 

Rz. 43

Eine elektronische Schnittstelle i. S. v. § 3 Abs. 3a S. 1 und 2 UStG ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Sie ist inhaltlich identisch mit der in § 25e Abs. 5 UStG enthaltenen Definition (siehe auch die Kommentierung zu § 25e UStG Rz. 56a ff.).

 

Rz. 44

Die Vorschrift basiert auf Art. 14a Abs. 1 und 2 MwStSystRL ("[…] die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, bspw. eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals oder Ähnlichem, unterstützen, […]") und wurde nahezu wortgleich übernommen.

 

Rz. 45

Dem Begriff der elektronischen Schnittstelle i. S. d. § 3 Abs. 3a S. 1 und 2 UStG ist nach der Gesetzesbegründung ein sehr weites Verständnis zugrunde zu legen, sodass in den Anwendungsbereich der Vorschriften nicht nur elektronische Marktplätze, Plattformen oder Portale fallen, sondern auch alle anderen vergleichbaren elektronischen Mittel.[1] Die Finanzverwaltung hat diese Auslegung in den UStAE mit geringfügiger Änderung übernommen. Statt der in der Gesetzesbegründung enthaltenen "vergleichbaren elektronischen Mittel" wird dort auf "vergleichbare elektronische Handelsplätze" Bezug genommen.[2] Während die Gesetzesbegründung damit auf die für die Rechtsanwendung unerhebliche technische Ausgestaltung der Schnittstelle Bezug nimmt, bezieht sich die Finanzverwaltung dagegen auf die Eignung für die Ausführung von Handelsumsätzen. Dieser Unterschied führt bei der Rechtsanwendung aber zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen. Denn in beiden Fällen liegt eine auslegende Beschreibung der vom Gesetz verwendeten Formulierung "oder Ähnliches" vor, wodurch die sehr weite Auslegung des Begriffs der elektronischen Schnittstelle lediglich in unterschiedlicher Weise beschrieben wird.

[1] BT-Drs. 19/22850, 132f.

4.2 Unterstützen des Betreibers der elektronischen Schnittstelle i. S. d. S. 1 und 2 UStG

 

Rz. 46

Die Bereitstellung einer elektronischen Schnittstelle an sich genügt nicht, um die Rechtsfolgen von § 3 Abs. 3a UStG auszulösen. Denn der Anwendungsbereich dieser Vorschrift wird durch die Definition des Unterstützens eingeschränkt, die in Art. 5b der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011, zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/2026, enthalten ist.[1] Die Voraussetzung des Unterstützens durch den Betreiber der elektronischen Schnittstelle ist in § 3 Abs. 3a S. 1 und 2 UStG jeweils als Tatbestandsmerkmal enthalten. Demnach kommt die Fiktion einer Lieferkette nur dann in Betracht, wenn der Betreiber mittels der elektronischen Schnittstelle unterstützt.

 

Rz. 47

Aus Art. 5b MwStVO leitet sich ab, wann ein Unterstützen in diesem Sinne vorliegt. Demnach unterstützt ein Unternehmer eine Lieferung i. S. d. § 3 Abs. 3a S. 1 UStG oder einen Fernverkauf i. S. d. § 3 Abs. 3a S. 2 UStG mittels seiner elektronischen Schnittstelle, wenn er es einem Erwerber und einem Lieferer, der über diese elektronische Schnittstelle Gegenstände zum Verkauf anbietet, ermöglicht, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen über diese elektronische Schnittstelle an den Erwerber resultiert. Ein Unternehmer unterstützt nach Art. 5b Abs. 2 MwStVO eine solche Lieferung aber dann nicht, wenn kumulativ die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. der Unternehmer legt weder unmittelbar noch mittelbar irgendeine der Bedingungen für die Lieferung der Gegenstände fest (dazu Rz. 49),
  2. der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Autorisierung der Abrechnung mit dem Erwerber bezüglich der getätigten Zahlung beteiligt (dazu Rz. 50) und
  3. der Unternehmer ist weder unmittelbar noch mittelbar an der Bestellung oder Lieferung der Gegenstände beteiligt (dazu Rz. 51).
 

Rz. 48

Die Finanzverwaltung nimmt in Abschn. 3.18 Abs. 3 UStAE zu diesen drei kumulativ erforderlichen Voraussetzungen jeweils Indizien an, die für sich genommen keinen Beweis darstellen, sondern eine Gesamtbewertung im Einzelfall erfordern. Das Vorliegen dieser Indizien kann als Beweisanzeichen im konkreten Einzelfall verstanden werden. Die in Abschn. 3.18 Abs. 3 UStAE enthaltene Auflistung ist nicht als kumulative und zudem nicht als erschöpfende Auflistung von Beweisanzeichen zu verstehen.[2]

 

Rz. 49

Nach Auffassung der Finanzverwaltung können die nachfolgenden Merkmale darauf hindeuten, dass ein Unternehmer eine elektronische Schnittstelle betreibt, für die er die Bedingungen für die Lieferung der Gegenstände festlegt (Rz. 47 Nr. 1)[3]:

  • Die elektronische Schnittstelle ist Eigentümer oder Verwalter der technischen Plattform, über die die Gegenstände geliefert werden.
  • Die elektronische Schnittstelle legt Regeln für die Auflistung und den Verkauf von Gegenständen über ihre Plattform fest.
  • Die elektronische Schnittstelle is...

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