Rz. 56a

In der ab dem 1.7.2021 geltenden Gesetzesfassung ist eine elektronische Schnittstelle i. S. d. § 25e UStG ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Deshalb ist aufgrund der sehr weiten Auslegung jeder vergleichbare elektronische Handelsplatz erfasst.[1]  Dies entspricht den begrifflichen Vorgaben von Art. 242a MwStSystRL mWv 1.1.2021 im Hinblick auf die dort geregelten Aufzeichnungspflichten der Betreiber. Abweichend von der zuvor bestehenden Definition (Rz. 53) ist die Geltung der Haftungsnorm damit nicht mehr nur auf elektronische Marktplätze und vergleichbare Instrumente beschränkt. Vielmehr werden seitdem (insoweit klarstellend) alle elektronischen Schnittstellen erfasst, die neben Marktplätzen auch Plattformen, Portale und ähnliche elektronische Schnittstellen umfassen. Damit ist die ab dem 1.7.2021 geltende gesetzliche Definition dem Wortlaut nach deutlich weitgehender als die ursprüngliche Gesetzesfassung. Dahinter ist der Normzweck einer nicht auf bestimmte (technische) Voraussetzungen beschränkte elektronische Handelsplattformen beschränkte Haftung zu identifizieren, die es nicht unter die Definition fallenden Anbietern ermöglichen würde, sich durch die Ausrichtung an bestimmten (technischen) Voraussetzungen der Haftung zu entziehen. Vielmehr verfolgt die deutlich breitere und nur mit Regelbeispielen versehene Definition der Schnittstelle durch den Einschluss von "Ähnlichem" einen sehr breiten Anwendungsbereich der Haftungsnorm, die unabhängig von der (technischen) Ausgestaltung der elektronischen Schnittstelle eingreifen soll.

Die Gesetzesbegründung selbst enthält zwar keinen ausdrücklichen Hinweis auf eine durch die Neuregelung beabsichtigte Erweiterung des Anwendungsbereichs. Sie spricht in diesem Zusammenhang vielmehr von geänderten "Begrifflichkeiten".[2]  Aus der Bezugnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben wird aber die Absicht zu einer umfassenden steuerlichen Erfassung des Onlinehandels und damit eine ggf. über die bisherige Definition hinausgehende Regelung als Gesetzeszweck erkennbar.

 

Rz. 56b

Der Wegfall der bis zum 30.6.2021 für den elektronischen Marktplatz bestehenden Definition und die Ersetzung durch die Beschreibung der elektronischen Schnittstelle anhand von gesetzlich nicht näher definierten Regelbeispielen bedeutet eine weitere Erhöhung des Haftungsrisikos für betroffene Unternehmer. Denn der Begriff der elektronischen Schnittstelle ist dem Gesetzeszweck entsprechend sehr weit auszulegen[3] und umfasst mehr als den durch die bisher gesetzlich vorgesehene Definition erfassten elektronischen Marktplatzes und schließt diesen vollständig ein. Zugleich wird durch die neue Gesetzesfassung keine konkrete gesetzliche Regelung zum Begriff der elektronischen Schnittstelle angeboten, woraus auf den gesetzgeberischen Zweck einer möglichst umfassenden Anwendung der Haftungsnorm geschlussfolgert werden kann.

 

Rz. 56c

Gleichwohl wurde die bis zum 30.6.2021 in Abs. 5 enthaltene Definition des elektronischen Marktplatzes durch die Definition der Schnittstelle ersetzt. Seitdem enthält § 25e UStG keine Definition des elektronischen Marktplatzes mehr. Nach der bis zum 30.6.2021 geltenden Definition ist ein elektronischer Marktplatz eine Website oder jedes andere Instrument, mit dessen Hilfe Informationen über das Internet zur Verfügung gestellt werden, die es einem Dritten, der nicht Betreiber des Marktplatzes ist, ermöglicht, Umsätze auszuführen. Nach der ersatzlosen Streichung dieser Definition aus dem Gesetz ab dem 1.7.2021 ist sie für die betroffenen Fälle ab dem 1.7.2021 nicht mehr anwendbar, da sie anderenfalls nicht aus dem Gesetz hätte gestrichen werden dürfen. Ein Bedürfnis für die gesetzliche Definition des elektronischen Marktplatzes besteht für die Anwendung von § 25e UStG aber nicht, da der elektronische Marktplatz in den neuen Oberbegriff der elektronischen Schnittstelle nach § 25e Abs. 5 UStG eingeordnet ist. Nach dieser Definition ist eine elektronische Schnittstelle im Sinne dieser Vorschrift ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Erfasst werden damit über den elektronischen Marktplatz hinaus alle elektronischen (digitalen) Möglichkeiten des Vertriebs von Waren.

 

Rz. 56d

Nach der hier vertretenen Ansicht sind unter den durch § 25e UStG verwendeten Begriff der elektronischen Schnittstelle deshalb alle digitalen Möglichkeiten erfasst, mit denen Unternehmer für andere Personen die Vereinbarung über den Leistungsaustausch von Waren ermöglichen (Onlinehandel). Dabei kommt es weder auf die (branchenübliche) Bezeichnung noch auf die vertragliche Ausgestaltung oder die Art der konkreten technischen Ausgestaltung der den anderen Personen bereitgestellten digitalen Möglichkeit an. Dem Begriff der elektronischen Schnittstelle ist nach dem Gesetzeszweck ein sehr weites Verständnis zugrunde zu legen, sodass in den Anwendungsbereich der Vorschriften nicht nur elektronisc...

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