1 Allgemeines

1.1 Gesetzesentwicklung

 

Rz. 1

Die Vorschrift des § 25e UStG "Haftung beim Handel auf einem elektronischen Marktplatz" ist durch das "Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" (ursprüngliche Bezeichnung "Jahressteuergesetz 2018") neu in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden. Zusammen mit § 22f UStG stellt sie ein Kernstück der ab 2019 geltenden umsatzsteuerlichen Änderungen dar und ist der Hintergrund der Gesetzesbezeichnung.[1]

 

Rz. 2

Die gesetzgeberische Zielsetzung der im Zusammenhang mit weiteren Vorschriften des Gesetzes zu sehenden Regelung von § 25e UStG besteht in der Sicherstellung der Umsatzsteuereinnahmen, dem Schutz vor weiteren Umsatzsteuerausfällen sowie im Schutz und der Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit von steuerehrlichen Unternehmen im Zusammenhang mit dem Warenhandel über das Internet unter Nutzung von elektronischen Marktplätzen (ab dem 1.7.2021: elektronischer Schnittstellen), bei denen Umsatzsteuerhinterziehungen insbesondere beim Handel mit Waren aus Drittländern möglich sind.[2]

 

Rz. 2a

Durch das Jahressteuergesetz 2020[3] wurde § 25e UStG im Rahmen des s.g. Mehrwertsteuer-Digitalpakets mWv 1.7.2021 (s. Rz. 70) sowohl in der Überschrift als auch inhaltlich geändert, da als Folge der Umsetzung von Art. 14a der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie (EU) 2017/2455 des Rates vom 5.12.2017 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG und der Richtlinie 2009/132/EG in Bezug auf bestimmte mehrwertsteuerliche Pflichten für die Erbringung von Dienstleistungen und für Fernverkäufe von Gegenständen (ABl. L 348 v. 29.12.2017, 7) in der Fassung der Berichtigung vom 27.7.2018 (ABl. L 190 v. 27.7.2018, 21) eine Anpassung der Begrifflichkeiten erforderlich wurde.[4]

 

Rz. 2b

Der Gesetzesänderung war ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des Beschlusses der EU-Kommission vom 10.10.2019[5] vorausgegangen mit dem Ziel der Aufhebung der Vorschriften von § 25e sowie § 22f UStG. Durch die Regelungen zu den Aufzeichnungspflichten und der Haftung für Online-Marktplätze wurden Verstöße gegen das Unionsrecht angenommen. Auch die Verpflichtung zur Vorlage von Bescheinigungen in Papierform durch Betreiber elektronischer Marktplätze wurde als ineffizient und unverhältnismäßig angesehen. Im Ergebnis sei damit eine Behinderung des Zugangs von EU-Onlinehändlern zum deutschen Markt vorhanden.

 

Rz. 2c

Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde § 25e UStG deshalb im Rahmen der zweiten Stufe des Mehrwertsteuer-Digitalpakets angepasst und gilt nunmehr nur noch in Fällen, bei denen der ebenfalls zum 1.7.2021 in Kraft getretene § 3 Abs. 3a UStG (fiktives Reihengeschäft bei Lieferungen über eine elektronische Schnittstelle) nicht anwendbar ist. Nach § 3 Abs. 3a UStG werden Unternehmer unter den dort geregelten Voraussetzungen selbst zu Steuerschuldnern, weshalb es auf eine systematisch nachrangige Haftung ab dem 1.7.2021 in den dortigen Fällen nicht mehr ankommt. Durch das Jahressteuergesetz 2020 wurde damit der Anwendungsbereich der Haftungsnorm von § 25e UStG erheblich eingeschränkt. Die Finanzverwaltung hat mit dem BMF-Schreiben vom 20.4.2021[6] den UStAE geändert und zu den verbleibenden Anwendungsfällen, den Tatbestandsvoraussetzungen und dem Haftungsverfahren Stellung genommen.

[1] BGBl I 2018, 2338.
[2] Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/4455, 27.
[3] BGBl I 2020, 3096.
[4] Gesetzesbegründung BT-Drs. 19/22850, 147.
[5] Beschluss v. 10.10.2019, AZ: INF/19/5950.

1.2 Gesetzessystematik

 

Rz. 3

§ 25e UStG ist eine Komplementärvorschrift zu § 22f UStG "Besondere Pflichten für Betreiber einer elektronischen Schnittstelle (bis zum 30.6.2021: "Besondere Pflichten für Betreiber eines elektronischen Marktplatzes"), der zeitgleich zu § 25e UStG in das Umsatzsteuergesetz integriert wurde. Beide Vorschriften enthalten wechselseitige Verweise und bedingen einander. Als Haftungsnorm ist § 25e UStG nur dann anwendbar, wenn sich nicht bereits eine Steuerschuld des Betreibers der elektronischen Schnittstelle nach § 3 Abs. 3a UStG ergibt.

 

Rz. 4

Die Norm reiht sich in eine Vielzahl von Haftungsnormen ein, die immer stärker auch außerhalb der AO zu finden sind. Angesichts des sich aus ihr ergebenden sehr hohen Risikos für Betreiber elektronischer Schnittstellen (bis zum 30.6.2021: elektronischer Marktplatz) wird sie eine zentrale Rolle im Rahmen der Beratung (Tax Compliance, s. Rz. 21) einnehmen müssen. Im Kern handelt es sich um eine Haftungsvorschrift, die aufgrund ihres ausschließlichen Bezugs zur Umsatzsteuer systematisch bedingt in das Umsatzsteuergesetz integriert wurde.

 

Rz. 5

Strukturell zerfällt die Norm in materielle und verfahrensrechtliche Vorschriften. Die materiellen Haftungsvorschriften für Betreiber elektronischer Schnittstellen sind auf die Abs. 1 bis 4 verteilt, wobei Abs. 1 den Grundtatbestand der Haftungsnorm enthält (Rz. 6ff.), der unter den Voraussetzungen der nachfolg...

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