Rz. 49

Insbesondere das BFH-Urteil zur Sporthallenüberlassung von einer Gemeinde an eine andere für Zwecke des Schulsports, in dem der BFH sich ausdrücklich von der bisherigen Verwaltungsauffassung zur Nichtsteuerbarkeit von sog. Beistandsleistungen distanziert[1], hat in der Genese der Vorschrift eine herausgehobene Rolle gespielt. Die gesetzliche Neuregelung der Umsatzbesteuerung entgeltlicher Tätigkeiten der öffentlichen Hand ist daher insbesondere darauf fokussiert, im Bereich der sog. interkommunalen Zusammenarbeit gegen Kostenerstattung eine Umsatzsteuerbelastung im unionsrechtlich vorgegebenen Rahmen weitestmöglich zu vermeiden. Dies lässt auch die Gesetzesbegründung erahnen, die sich vergleichsweise wortreich um die Rechtfertigung einer Besteuerungsausnahme für die interkommunale Zusammenarbeit bemüht. § 2b Abs. 3 UStG enthält zwei Fallgruppen der Zusammenarbeit von jPöR bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, in denen der Gesetzgeber das Vorliegen größerer Wettbewerbsverzerrung typisierend verneint:

Die Regelung ist ausdrücklich beschränkt auf Leistungen einer jPöR an eine andere jPöR. Sie geht damit als speziellere Regelung dem Abs. 2 vor[2], enthält wie dieser aber keine abschließende Aufzählung ("insbesondere"). Auf Innenleistungen von nichtselbstständigen Einrichtungen derselben jPöR untereinander oder an ihre Trägerkörperschaften, z. B. von einer Landesbehörde an eine andere, ist die Regelung nicht anwendbar; insoweit fehlt es unabhängig von etwaigen internen Verrechnungen bereits an einem Leistungsaustausch, sodass die Steuerbarkeit nach § 1 Abs. 1 UStG schon aus diesem Grund ausscheidet.

[2] Kritisch dazu Widmann, UR 2015, 5.

2.3.4.1 Vorbehaltsaufgaben (Abs. 3 Nr. 1)

 

Rz. 50

§ 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG regelt die erste Gruppe von Beistandsleistungen, bei denen der Gesetzgeber typisierend vorgibt, dass sie nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen: wenn sich die Zusammenarbeit von jPöR auf Leistungen bezieht, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nur von jPöR erbracht werden dürfen. Gemeint sind Tätigkeiten, die unmittelbar das hoheitliche Rechtsverhältnis zum Bürger betreffen und daher Hoheitsträgern vorbehalten sind. Solche aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen den jPöR vorbehaltenen Tätigkeiten seien, so die Gesetzesbegründung, schon gegenständlich marktfern. Diese Begründung trifft zweifellos zu, da es bei solchen Aufgaben keine Markteintrittsmöglichkeit für private Unternehmer gibt. Folglich ist in diesem Aufgabenbereich Wettbewerb bereits potenziell nicht möglich und damit eine Besteuerung auch nach Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL nicht angezeigt. Einer ausdrücklichen gesetzlichen Erwähnung dieser Wettbewerbsausnahme hätte es also systematisch nicht bedurft; sie folgt bereits aus § 2b Abs. 1 S. 2 UStG und hat damit eher klarstellenden Charakter. Als Beispiele nennt die Gesetzesbegründung die Bildung gemeinsamer Standes- und Ordnungsamtsbezirke durch zwei Kommunen oder die Zentralisierung der Tätigkeiten der Einwohnermeldeämter. Unter die Regelung fällt aber auch die Ausübung von Hoheitsbefugnissen gegenüber dem Bürger durch eine jPöR für eine andere, z. B. bei der Festsetzung von Steuerbescheiden gegenüber dem Bürger durch ein Land für ein anderes[1] oder bei der Durchführung einer hoheitlichen Berufsabschlussprüfung durch eine Berufskammer für eine andere, sofern dafür jeweils an die durchführende jPöR Entgelte bezahlt werden. Alle genannten Beispiele setzen allerdings voraus, dass die handelnde Behörde öffentlich-rechtlich ausreichend zur Ausübung der betroffenen Hoheitsbefugnisse ermächtigt ist.

 

Rz. 50a

Unter gesetzlicher Bestimmung i. S. d. Vorschrift sind formelle und materielle Parlamentsgesetze des Bundes- und des Landesrechts, also auch Rechtsverordnungen, zu verstehen. Auch sog. Kirchengesetze fallen darunter. Keine gesetzlichen Regelungen in diesem Sinne sind daher Satzungen, die sich eine jPöR selbst gibt.[2]

[1] Vgl. Landesgesetz zu dem Staatsvertrag zwischen den Ländern Rheinland-Pfalz und Saarland über die Kooperation auf den Gebieten der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowie der GrESt, LT-Drs. (RP) Nr. 16/4044.
[2] So auch BMF v. 16.12.2016, C III 2 – S 7107/16/10001, BStBl I 2016, 1451, Rz. 42.

2.3.4.2 Beistandsleistungen (Abs. 3 Nr. 2)

 

Rz. 51

§ 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG hat im Gegensatz zur eher klarstellenden Funktion des § 2b Abs. 3 Nr. 1 UStG echten Regelungscharakter. Die Vorschrift ist speziell auf die interkommunale Zusammenarbeit zugeschnitten und schafft im Ergebnis ein Privileg für die Erbringung von Beistandsleistungen, die die in der Vorschrift genannten Bedingungen erfüllen. Diese Kriterien sind an das EU-Vergaberecht angelehnt, insbesondere an Art. 12 Abs. 4 EU-Vergaberichtlinie[1], der die entgeltliche Erbringung einer öffentlichen Dienstleistung durch eine jPöR an eine andere jPöR von der Ausschreibungspflicht ausnimmt, wenn – vereinfacht zusammengefasst – die Zusamme...

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