Rz. 52

Nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 1 UStG liegen bei Leistungen einer jPöR an eine andere jPöR größere Wettbewerbsverzerrungen dann nicht vor, wenn die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt wird. Das Kriterium des spezifischen öffentlichen Interesses erinnert an die Regelungen für interkommunale Kooperationen nach Art. 12 Abs. 4 Buchst. b der Vergaberichtlinie, wonach die Durchführung der Zusammenarbeit ausschließlich durch öffentliches Interesse bestimmt sein muss. Was umsatzsteuerlich unter gemeinsamen spezifisch öffentlichen Interessen zu verstehen ist, wird durch § 2b Abs. 3 Nr. 2 S. 2 UStG dahingehend konkretisiert, dass dies regelmäßig der Fall ist, wenn die Zusammenarbeit die dort in den Buchstaben a bis d genannten Kriterien kumulativ erfüllt.

 

Rz. 53

Nach Buchstabe a muss es sich zunächst um eine langfristige öffentlich-rechtliche Vereinbarung handeln. Zum Merkmal der Langfristigkeit lässt sich weder dem Gesetz noch der Begründung etwas entnehmen. Erhöhte Anforderungen sind dabei aber m. E. nicht zu stellen. Dauerhaftigkeit ist jedenfalls nicht Voraussetzung. Das Merkmal dürfte im Wesentlichen zur Abgrenzung von entgeltlichen punktuellen Einzelmaßnahmen dienen. Das BMF geht bei Vereinbarungen ab einer Zeitdauer von fünf Jahren regelmäßig und bei unbestimmter Dauer stets von Langfristigkeit aus.[1] Im Falle einer kurzfristigen Vereinbarung ist allerdings ergänzend zu prüfen, ob nicht möglicherweise nur gelegentliche und damit ohnehin nichtsteuerbare Amtshilfe vorliegt. Vor dem Hintergrund des vergaberechtlichen Ansatzes der Regelung ist es m. E. zutreffend, die Langfristigkeit hilfsweise auch unter Rückgriff auf das Vergaberecht zu beurteilen. Art. 12 Abs. 4 Buchst. a der Vergaberichtlinie setzt voraus, dass der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern zur Sicherstellung von ihnen zu erbringender Dienstleistungen zum gemeinsamen Ziel hat. Eine Sicherstellung gemeinsamer Ziele durch Zusammenarbeit ist in aller Regel auf Langfristigkeit angelegt.

 

Rz. 54

Dass die getroffene Vereinbarung öffentlich-rechtlicher Natur sein muss, ist vor dem Hintergrund, dass § 2b UStG für Leistungen in privatrechtlicher Handlungsform bereits dem Grunde nach nicht anwendbar ist, eigentlich nicht mehr gesondert regelungsbedürftig. Die gesonderte Hervorhebung des öffentlich-rechtlichen Charakters der Vereinbarung stellt lediglich klar, dass es nicht ausreichend wäre, wenn die Vereinbarung lediglich der Erfüllung öffentlicher Aufgaben diente. Zusätzliche spezifische Anforderungen an die Rechtsnatur der Vereinbarung, wie sie in landesrechtlichen Zusammenarbeitsgesetzen geregelt sein können[2], sind mit dem Merkmal nicht verbunden. Umgekehrt dürften Vereinbarungen, die den Zusammenarbeitsgesetzen entsprechen, die Voraussetzungen des § 2b Abs. 2 Buchst a UStG jedenfalls erfüllen.

Subordinationsrechtliche Verträge sind ebenfalls nicht ausgeschlossen, da eine gleichberechtigte Aufgabenwahrnehmung im Gesetz nicht gefordert wird.

 

Rz. 55

Das in Buchstabe b genannte Kriterium, wonach die Leistung dem Erhalt der öffentlichen Infrastruktur dienen muss, wird in der Gesetzesbegründung nicht näher konkretisiert. Es kann aber nach dem Gesetzeszweck, gerade bei der interkommunalen Kooperation eine Steuerbelastung möglichst zu vermeiden, nur so verstanden werden, dass es nicht nur die Versorgungs- und Verkehrsinfrastruktur i. e. S., sondern alle Formen öffentlicher Aufgabenerfüllung, also auch die Verwaltungs-, Dienstleistungs- und technische Infrastruktur umfasst.[3] Auch Datenverarbeitungssysteme fallen darunter. Es ist trotz des insoweit ein einschränkendes Verständnis nahelegenden Wortlauts ("Erhalt") m. E. nicht erforderlich, dass eine solche Infrastruktur bereits vorhanden ist. Nach dem Regelungszweck kann die Leistung auch zunächst der Schaffung einer in der Folgezeit zu erhaltenden Infrastruktur dienen (z. B. Errichtung und Betrieb eines Rechenzentrums).

 

Rz. 56

Die teleologische Auslegung des Infrastrukturbegriffs darf aber nicht dazu führen, auch Leistungen zu begünstigen, die ohne Weiteres substituierbar wären, also von privaten Unternehmern erbracht werden könnten. Dies wird gewährleistet durch die Kumulation mit der zweiten Voraussetzung einer gemeinsamen öffentlichen Aufgabe. Nach Buchstabe b muss nämlich hinzukommen ("und"), dass es sich um die Wahrnehmung einer allen Beteiligten obliegenden öffentlichen Aufgabe handelt. Das Merkmal lässt sich ebenfalls auf Art. 12 Abs. 4 Buchst. a der Vergaberichtlinie zurückführen. Gemeinsamkeit heißt m. E., dass den an der Zusammenarbeit beteiligten jPöR jeweils dieselbe öffentliche Aufgabe obliegen muss. Daraus folgt die Gleichgerichtetheit der Interessen, sich bei der ihnen jeweils obliegenden Aufgabenerfüllung zusammenzutun. Dabei geht es um die Erfüllung der hoheitlichen Aufgabe als solcher im Außenverhältnis, nicht um die Schaffung der Voraussetzungen zur Aufgabenerfüllung im Innenverhältnis der kooperierenden jPöR. Die ...

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