Rz. 104

Das Vorhandensein einer (gültigen) USt-IdNr. stellt eine unerlässliche Voraussetzung zur Teilhabe an grenzüberschreitenden Umsätzen im Europäischen Binnenmarkt dar. Aus diesem Grund haben Unternehmer grundsätzlich einen Anspruch auf die Erteilung einer solchen Nummer (Rz. 36). Andererseits sind solche grenzüberschreitenden Umsätze sehr betrugsanfällig und deshalb besteht in bestimmten Fällen ein durchaus berechtigtes Interesse der Finanzbehörden daran, bestimmten Unternehmern erst gar keine USt-IdNr. zu erteilen oder ihnen diese nachträglich zu entziehen. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber dann auch mWv 1.1.2021 mit Abs. 1a des § 27a UStG die Möglichkeit zur "Begrenzung" von USt-IdNrn. geschaffen (Rz. 79ff.). Konkret besteht die Möglichkeit des Missbrauchs einer USt-IdNr. also bereits bei der Beantragung einer solchen Nummer (bzw. der damit im Zusammenhang stehenden Steuernummer), sie kann aber auch bei der missbräuchlichen Verwendung einer eigenen oder fremden USt-IdNr. vorliegen. Die erste Alternative ist hier bereits im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Erteilung einer USt-IdNr. erläutert worden (Rz. 73ff.), die zweite Alternative bedarf einer weiteren Betrachtung. I.E. geht es in solchen Fällen aber nicht wirklich um einen Missbrauch der USt-IdNr., sondern zumeist um Steuerhinterziehungen unter Nutzung einer USt-IdNr.; die USt-IdNr. wird hier schlicht zur Vorspiegelung eines redlichen unternehmerischen Handelns eingesetzt.

 

Rz. 105

Festzuhalten ist zunächst, dass eine einmal vergebene USt-IdNr. durchaus "missbrauchsanfällig" ist. Da USt-IdNrn. bei einer Vielzahl von Rechnungen schon aufgrund der gesetzlichen Vorgaben[1] in den Rechnungsvordrucken anzugeben sind, sind sie bei der überwiegenden Anzahl der Unternehmer fester Bestandteil ihrer Vordrucke (Rechnungsvorlagen). Die USt-IdNr. findet sich somit auf jeder Rechnung der Unternehmer. Es ist daher ein Leichtes, solche Nummern in Erfahrung zu bringen; sie sind schon vom Ansatz her nicht dazu geeignet "geheim" gehalten zu werden. Da die USt-IdNr. einem Unternehmer i. d. R. auch nur einmal in seinem "Unternehmerleben" zugeteilt wird, kann (theoretisch) jede bekannt gegebene Nummer auch noch über Jahre hinweg missbräuchlich verwendet werden.

 

Rz. 106

Grundsätzlich ist es demnach z. B. auch einem Endverbraucher möglich, mit der USt-IdNr. eines (fremden) Unternehmers steuerfreie innergemeinschaftliche Erwerbe auszuführen, indem er sie schlicht als seine ausgibt. Bei Versendungslieferungen wird das bei einem derartigen Vorgehen zwar regelmäßig daran scheitern, dass die Adresse des Inhabers der Nummer und die Lieferadresse nicht übereinstimmen. Der Leistende wird diese Leistung i. d. R. dann nicht ausführen und auch eine Bestätigungsanfrage dieser Nummer wird zwar die Richtigkeit der Nummer, nicht aber die Übereinstimmung von Namen und Adresse ergeben. Der Leistende in dem anderen Mitgliedstaat darf in einem solchen Fall nicht steuerfrei liefern, weil er sonst Gefahr läuft, dass seine nationale Finanzbehörde diese Leistung nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung anerkennt.

 

Rz. 107

Ähnliches dürfte in dem wohl besonders missbrauchsgefährdeten Einzelhandelsbereich mit Barzahlung gelten.[2] Erscheint hier z. B. der deutsche Konsument A bei dem österreichischen Einzelhändler B, um unter der Verwendung der USt-IdNr. des deutschen Unternehmers C einen einzelnen Fernseher gegen Barzahlung umsatzsteuerfrei zu erwerben, dann sprechen schon Art und Weise dieses Geschäfts gegen die Unternehmereigenschaft des A (oder des vermeintlichen C) bzw. gegen eine unternehmerische Verwendung (Rz. 96). Schon weil B hier das Risiko trägt, dass eine solche innergemeinschaftliche Lieferung von seiner nationalen Finanzbehörde nicht anerkannt wird, wird er sich regelmäßig nicht auf dieses Geschäft einlassen oder weitere Legitimationsnachweise – etwa einen Ausweis – von dem A einfordern. Schließlich trägt B das Risiko, auf einer evtl. nachträglich festgesetzten USt "sitzen zu bleiben"; B müsste den A daher zunächst darauf verweisen, dass er diese USt-IdNr. erst auf ihre Richtigkeit hin überprüfen muss.[3] Richtig wäre es, wenn der B den A auf einen steuerpflichtigen Erwerb des Fernsehers und das mögliche Vorsteuervergütungsverfahren verweist oder wenn er ganz auf die Durchführung dieses Umsatzes verzichtet. Natürlich sind entsprechende Missbrauchsfälle nicht gänzlich auszuschließen, ihre praktische Relevanz dürfte m. E. aber wegen der geschilderten Risikoverteilung gering sein.

 

Rz. 108

Kein originärer Fall der missbräuchlichen Verwendung einer USt-IdNr. ist dagegen in den meisten der sog. Umsatzsteuerkarussellfällen der letzten Jahre zu sehen[4], bei denen im Einzelfall gewichtige Steuerstraftaten vorliegen können. Verwendet z. B. ein spanischer "missing trader"[5] eine ihm von den spanischen Finanzbehörden zugeteilte USt-IdNr., dann kann den Lieferungen eines (gutgläubigen) deutschen Unternehmers an diesen (gutgläubigen) Unternehmer jedenfalls z. B. nicht mit dem Argume...

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