1 Allgemeines

1.1 Entstehungsgeschichte

 

Rz. 1

Mit dem Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11. Dezember 2018 wurde u. a. § 22f neu in das UStG eingefügt.[1] Entgegen seiner vielversprechenden Überschrift enthielt dieses Gesetz eine Fülle von steuerlichen Änderungen quer durch das Steuerrecht, die umsatzsteuerlichen Änderungen finden sich dort im Art. 9. Auch bei der Umsatzsteuer sind die Regelungen zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen nur ein Teil der Gesetzesänderungen, so wurden insbesondere die unionsrechtlichen Vorgaben der "Gutscheinrichtlinie"[2] in § 3 UStG sowie der Richtlinie 2017/2455[3] in § 3a Abs. 5 umgesetzt. Die Vorschrift des § 22f UStG steht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem gleichzeitig eingefügten § 25e UStG (Haftung beim Handel über eine elektronische Schnittstelle), einem damals neuen Haftungstatbestand für die Betreiber elektronischer Schnittstellen (bis zum 30.6.2021 elektronische Marktplätze). Die Vorschriften sind inhaltlich miteinander verknüpft. Zu ergänzen ist, dass das BMF zu den ersten Fassungen der Vorschriften schon im Dezember 2018 und im Januar 2019 jeweils BMF-Schreiben zur Anwendung erlassen hatte.[4]

 

Rz. 2

Das Gesetzgebungsverfahren zur ersten Fassung der §§ 22f, 25e UStG verlief relativ reibungslos, obwohl in der Literatur vielfältige und m. E. durchaus berechtigte Einwände gegen die Schaffung der Haftungsregelung der §§ 22f und 25e UStG vorgebracht wurden und hier zweifellos ein sehr einschneidender neuer Haftungstatbestand geschaffen wurde (Rz. 14). Mit Blick auf den § 22f UStG bestand der Unterschied zwischen dem ersten Entwurf der Bundesregierung[5] und dem beschlossenen Gesetzeswortlaut lediglich in der Einfügung des Abs. 4. Der Gesetzgeber hatte mit diesen Regelungen bereits vorweg Teile der Richtlinie (EU) 2017/2455[6] umgesetzt. Danach sollte zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung für grenzüberschreitende Leistungen über Online-Marktplätze m. W. v. 1.1.2021 eine Lieferkette ähnlich einem Kommissionsgeschäft fingiert werden. Dies soll nach Art. 14a Abs. 2 MwStSystRL n. F. zur Anwendung kommen, wenn ein innergemeinschaftlicher Verkauf von Gegenständen stattfindet, der Lieferant seinen Sitz nicht in der EU hat und die Abnehmer keine Steuerpflichtigen sind. Hier soll der Marktplatzbetreiber zum Steuerschuldner für die Lieferung an den Abnehmer werden. Zu beachten ist, dass die deutsche Regelung inhaltlich von Anfang an weiter war, denn sie umfasste und umfasst weiter den gesamten Onlinehandel in Bezug auf Lieferungen, also auch rein innerdeutsche Vorgänge (Rz. 14).

 

Rz. 3

Bereits mWv 18.12.2019 wurde § 22f UStG erstmals geändert[7], womit aber keine inhaltliche Änderung erfolgte. Eine Anpassung war hier nur redaktionell geboten, damit wurde lediglich der "Tippfehler" in Abs. 1 S. 6 beseitigt, in dem aus der "Finanzhörde" richtig die "Finanzbehörde" wurde.

 

Rz. 4

Die nächste Änderung des § 22f UStG erfolgte bereits mWv 1.7.2021.[8] Sie war unionsrechtlich vorgegeben (Rz. 8), inhaltlich umfassend und vor allem dem ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes verwendeten neuen Begriffs der "elektronischen Schnittstelle"[9]- der die Begriffe des Plattformbetreibers und des elektronischen Marktplatzes ersetzte – sowie der Neuregelung in § 3 Abs. 3a UStG geschuldet. Dabei wurde die Gesetzesüberschrift angepasst und der Abs. 1 des § 22f UStG wurde vollständig neu gefasst und erweitert sowie ein neuer Abs. 3 eingeführt. Zudem erfolgten weitere Änderungen der übrigen drei Absätze, wodurch auch der Regelungsinhalt erweitert wurde. Zu ergänzen bleibt, dass auch in § 25e UStG entsprechende Änderungen erfolgten. Anzumerken ist dazu unbedingt, dass die Haftungsnorm des § 25e Abs. 1 UStG gem. § 22f Abs. 3 S. 2 UStG nunmehr nicht in den Fällen des § 3 Abs. 3a UStG gilt, das ist konsequent, weil die Betreiber der elektronischen Schnittstellen in den dort genannten Fällen zum Steuerschuldner der über sie erbrachten Leistungen werden[10]; einer Haftung für fremde Steuerschulden bedarf es hier nicht mehr. Durch die Neufassung wurde insbesondere das mit der ersten Regelung eingeführte "Bescheinigungsverfahren" über die steuerliche Erfassung des Verkäufers abgeschafft. Nunmehr kommt es nur noch auf das Vorhandensein einer (gültigen) USt-IdNr. des Lieferers an. Aus diesem Grund wurde auch die Regelung über das Bestätigungsverfahren in § 18e UStG angepasst, nunmehr können die Betreiber elektronischer Schnittstellen auch die inländischen USt-IdNrn. der auf ihrem Marktplatz tätigen Online-Händler auf ihre Gültigkeit hin abfragen.[11]

 

Rz. 5

Hinsichtlich der von den Betreibern der elektronischen Schnittstellen zu erfüllenden Aufzeichnungspflichten ist die Rechtslage allerdings seit dieser Neufassung in formaler Hinsicht deutlich komplizierter geworden. § 22f Abs. 3 S. 1 UStG ordnet nun an, dass derjenige der mittels einer elektronischen Schnittstelle die Erbringung einer sonstigen Leistung an einen Empfänger nach § 3a Abs. 5 S. ...

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