Rz. 10

Der ursprüngliche Zweck der Schaffung des § 22f UStG kann nur einheitlich mit der (zeitgleichen) Einfügung des neuen § 25e UStG (Haftung beim Handel auf einem elektronischen Marktplatz) gesehen und begründet werden. Beide Vorschriften sind inhaltlich eng miteinander verknüpft. Bereits in der einleitenden Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung vom 24.9.2918[1] fand sich als Begründung der Neuregelung, dass mit dem Änderungsgesetz insbesondere Umsatzsteuerausfälle beim Handel mit Waren auf elektronischen Marktplätzen (jetzt elektronischen Schnittstellen) im Internet verhindert werden sollten. Betreiber von elektronischen Marktplätzen sollten zum einen bestimmte Daten ihrer Nutzer, für deren Umsätze in Deutschland eine Steuerpflicht infrage kommt, vorhalten sowie zum anderen für die entstandene nicht abgeführte Umsatzsteuer aus den auf ihrem elektronischen Marktplatz ausgeführten Umsätzen in Haftung genommen werden können, insbesondere dann, wenn sie Unternehmer, die im Inland steuerpflichtige Umsätze erzielen und hier steuerlich nicht registriert sind, auf ihrem Marktplatz Waren anbieten lassen. Inhaltlich ging es also einerseits darum, neue Aufzeichnungspflichten für bestimmte Unternehmer zu schaffen und andererseits darum, mit diesen Informationen durch eine mögliche Haftung der zur Aufzeichnung verpflichteten Unternehmer Steuerausfälle zu vermeiden. Tatsächlich dürfte der Kern der Bedeutung in der Schaffung der neuen Aufzeichnungspflichten bestanden haben; die Finanzbehörden hatten nun die Möglichkeit, umfassende Daten über den gesamten Onlinehandel zu erlangen (Rz. 13). Anzumerken ist, dass der deutsche Gesetzgeber mit dieser Haftungsregelung "vorgeprescht" war, auf unionsrechtlicher Ebene war bereits eine andere Lösung zur Eindämmung der Steuerausfälle beim Online-Handel beschlossen worden (Rz. 2).

 

Rz. 11

Zur ersten Fassung des § 22f UStG fand sich in den Gesetzesmaterialien weiter die allgemeine Begründung[2], dass durch diese Regelung Betreiber von elektronischen Marktplätzen verpflichtet würden, Angaben von Nutzern, für deren Umsätze in Deutschland eine Steuerpflicht in Betracht kommt, vorzuhalten. Hierdurch würde der Finanzverwaltung die Möglichkeit eingeräumt, zu prüfen, ob der liefernde Unternehmer oder Nutzer seinen steuerlichen Pflichten ordnungsgemäß nachkommt bzw. nachgekommen ist. Die nach § 22f UStG vorzuhaltenen Angaben unterlägen den steuerlichen Aufbewahrungspflichten des § 147 AO. Diese Aufbewahrungspflicht betrüge sechs Jahre.[3] Insoweit sei es für den Betreiber zumutbar, die nach Abs. 1 (des § 22f UStG) genannten Angaben vorzuhalten und diese auf Anforderung der Finanzverwaltung zur Verfügung zu stellen, da der Betreiber es den liefernden Unternehmern ermögliche, steuerpflichtige Umsätze zu erzielen, er aufgrund der Ausgestaltungen der Rechtsbeziehungen zu den liefernden Unternehmern bereits über die unter § 22f UStG genannten Angaben verfüge oder sich diese vom Nutzer ohne großen Aufwand beschaffen könne. Gleiches gelte für die in § 22f Abs. 2 UStG genannten Angaben für Fälle, in denen die Registrierung auf dem elektronischen Marktplatz nicht als Unternehmer (sondern als Privatperson) erfolgt sei. Die Richtlinie 2003/31/EG vom 8.6.2000 des Europäischen Parlaments und des Rates (sog. "E-Commerce-Richtlinie") finde auf den Bereich der Besteuerung keine Anwendung.

 

Rz. 12

Diese Gesetzesbegründung der ersten Fassung der Vorschrift erschien schlüssig, jedenfalls soweit die Notwendigkeit der Bekämpfung der Umsatzsteuerhinterziehung im grenzüberschreitenden Onlinehandel an Verbraucher als Anlass der Schaffung des § 22f UStG (und des § 25e UStG) genannt wurde. Hier bestanden in der Tat deutliche Anhaltspunkte dafür, dass viele ausländische Händler, die ihre Waren über Internetplattformen – wie z. B. Amazon-Marketplace – insbesondere an Endverbraucher anbieten, die in Deutschland geschuldete Umsatzsteuer weder anmeldeten noch bezahlten. Hier war auch oft zu vermuten, dass die "eingesparte" Umsatzsteuer gleich dazu verwendet wurde, den Preis der eigenen Leistung immer günstiger gegenüber steuerehrlichen Anbietern gestalten zu können; dadurch entstanden also auch erhebliche wettbewerbsrechtliche Probleme. Gesetzestechnisch hatte sich der Gesetzgeber dazu entschieden, die Betreiber (aller) elektronischen Marktplätze sozusagen als "Kontrollinstanz" in die Pflicht zu nehmen. Ein derartiger Betreiber hatte die Einzelheiten der von Unternehmern über seinen Marktplatz ausgeführten Lieferungen aufzuzeichnen und diese Daten zum Abruf für die Finanzverwaltung bereitzuhalten. Verletzte er seine Pflichten, dann konnte er nach den in § 25e UStG dargelegten Voraussetzungen in Haftung genommen werden. Hinzuweisen ist darauf, dass zu dieser Haftungsregelung schon damals Alternativen bestanden, hier hätte z. B. auch die Möglichkeit des Einbehalts der Umsatzsteuer an der "Quelle" – also beim Betreiber des Marktplatzes – bestanden; man spricht dabei auch vom "split-payment-Verfahren". Diese Möglich...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge