Rz. 123

Die Höhe der vom leistenden Unternehmer geschuldeten USt ist nicht von dem Besteuerungsverfahren abhängig. Damit hat die Gestattung der Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten keinen Einfluss auf die Bestimmung des Orts der Leistung und damit auf die Beurteilung der Steuerbarkeit, auf die Anwendung von Steuerbefreiungsvorschriften sowie auf die Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes nach § 12 UStG. Auch die Bemessungsgrundlage ist im Ergebnis nicht von der Art der Berechnung der USt abhängig (Rz. 118). Deshalb sind Sonderregelungen zur Ermittlung der Höhe der Bemessungsgrundlage wie z. B. die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage[1] unabhängig von der Art der Steuerberechnung anzuwenden.

 

Rz. 124

Ergeben sich Änderungen des Umsatzsteuerrechts, kommt es für die systematische Beurteilung des Umsatzes auch bei der Berechnung der USt nach vereinnahmten Entgelten immer auf den Zeitpunkt an, an dem der Unternehmer den Umsatz ausgeführt hat. Die Vereinnahmung des Entgelts hat danach grundsätzlich keinen Einfluss darauf, ob es sich bei einer Gesetzesänderung um einen steuerbaren, steuerpflichtigen Umsatz handelt und welcher Steuersatz anzuwenden ist (§ 27 Abs. 1 UStG). Wenn der Unternehmer die USt nach vereinnahmten Entgelten berechnet, sind die folgenden Möglichkeiten denkbar:

  • Der Unternehmer hat eine Leistung oder eine Teilleistung vor der Rechtsänderung ausgeführt, vereinnahmt das Entgelt aber erst nach Inkrafttreten der Änderung: Die USt kann zwar erst dann entstehen, wenn der Unternehmer das Entgelt vereinnahmt hat, in welcher Höhe die USt entsteht, ist aber nach den Rechtsvorschriften zum Zeitpunkt der Ausführung der Leistung oder der Teilleistung zu beurteilen.
 

Beispiel: Entgeltvereinnahmung nach Rechtsänderung

Handwerker H hat im Dezember 2022 auf dem Dach eines Einfamilienhauses eine Fotovoltaikanlage installiert, die Leistung ist noch im Dezember abgeschlossen und abgenommen worden. Die Rechnung an den Betreiber der Fotovoltaikanlage hat H erst Anfang Januar 2023 gestellt, die Zahlung hat er im Februar 2023 vereinnahmt. H wendet zulässigerweise die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten nach § 20 S. 1 Nr. 1 UStG an.

Bei Ausführung der Leistung im Dezember 2022 ergab sich für die im Inland steuerbare und steuerpflichtige Leistung eine USt von 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG). Obwohl sich für die Installation einer Fotovoltaikanlage auf einem Einfamilienhaus gegenüber dem Betreiber der Anlage ab dem 1.1.2023 der Steuersatz auf 0 % reduziert (§ 12 Abs. 3 Nr. 4 UStG), muss H die USt mit 19 % berechnen und anmelden. Es kommt für die Beurteilung des Umsatzes auf die gesetzlichen Vorschriften zum Zeitpunkt der Ausführung der Leistung – im Dezember 2022 – an (§ 27 Abs. 1 UStG).

  • Der Unternehmer hat ein Entgelt schon vor Ausführung der Leistung erhalten, die Leistung wird aber erst später ausgeführt, nachdem sich die für den ausgeführten Umsatz maßgeblichen Rechtsvorschriften geändert haben. Die USt entsteht zwar mit Vereinnahmung, der Unternehmer muss aber eine Anpassung nach den Rechtsvorschriften vornehmen, die zum Zeitpunkt der Ausführung der Leistung maßgeblich sind.
 

Rz. 125

Die Höhe der abzugsfähigen Vorsteuerbeträge wird von der Art der Berechnung der USt nicht beeinflusst. Der Unternehmer kann – unabhängig von der Berechnung der USt nach vereinnahmten oder vereinbarten Entgelten – nach der bisherigen nationalen Rechtslage die Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1 UStG dann abziehen, wenn die Rechnung vorliegt und die Leistung an ihn ausgeführt worden ist. Nur in den Fällen des Vorsteuerabzugs bei Anzahlungen kann der Vorsteuerabzug erst dann geltend gemacht werden, wenn und insoweit die Zahlung geleistet worden ist.

 

Rz. 125a

Die Möglichkeit, dass das Entstehen der Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer und der Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger zeitlich auseinanderfallen kann, war bisher aufgrund der klaren Vorgaben nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG systematisch angelegt. Liegt dem unternehmerischen Leistungsempfänger eine (ordnungsgemäße) Rechnung vor und ist die Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden, kann die ihm berechnete Umsatzsteuer unter den weiteren Voraussetzungen als Vorsteuer abgezogen werden. Ob die Umsatzsteuer beim leistenden Unternehmer aufgrund der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten schon mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums entsteht, in dem die Leistung ausgeführt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) oder ob sie aufgrund der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten erst dann entsteht, wenn die Gegenleistung vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG), war danach nicht von Bedeutung. Das FG Hamburg[2] hatte den EuGH um Vorabentscheidung in folgendem Fall gebeten: In einem Mietverhältnis, in dem beide Vertragsparteien zulässigerweise die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten angewendet hatten, kam es mehrere Jahre zu Unregelmäßigkeiten bei der Mietzahlung. Entgegen der Regelung des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG zog der Mieter die Vorsteuer aus...

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