Rz. 62

Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt, unabhängig davon, ob er nach anderen Vorschriften rechtsfähig ist (§ 2 Abs. 1 S. 1 UStG). Eine für das Umsatzsteuerrecht eigenständige Definition der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit enthält § 2 Abs. 1 S. 3 UStG: Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit, die zur Erzielung von Einnahmen ausgeübt wird, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Damit lässt sich die Grunddefinition der Unternehmereigenschaft im Umsatzsteuerrecht auf die Begriffe

reduzieren. Allerdings müssen die Leistungen, die unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen ausgeführt werden, zu der allgemeinen wirtschaftlichen Tätigkeit des Leistenden gehören. Die zum 1.1.2023[1] zur Klarstellung mit aufgenommene Ergänzung, dass es für die Unternehmereigenschaft nicht erheblich ist, dass ggf. nach anderen Vorschriften keine Rechtsfähigkeit vorliegt, wird nicht als neue "vierte" Tatbestandsvoraussetzung zu sehen sein, sondern dient lediglich der höheren Rechtssicherheit.

[1] Ergänzung durch das Jahressteuergesetz 2022 v. 16.12.2022, BGBl I 2022, 2294.

3.1 Selbstständigkeit

 

Rz. 63

Nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG kann nur eine selbstständige Tätigkeit zur Unternehmereigenschaft führen. Die Frage, wann eine Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt wird, wird im Umsatzsteuerrecht nicht positiv, sondern über § 2 Abs. 2 UStG negativ abgegrenzt. Die Tätigkeit wird danach in den folgenden Fällen nicht selbstständig ausgeführt:

  • Eine natürliche Person ist in ein Unternehmen so eingegliedert, dass sie den Weisungen des Unternehmers zu folgen verpflichtet ist (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 UStG). Dabei kann es sich bei der eingegliederten Person um eine Einzelperson oder einen Personenzusammenschluss handeln. Maßgeblich ist dabei immer das Gesamtbild der Verhältnisse.
  • Eine juristische Person ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines anderen Unternehmers eingegliedert (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG). In diesem Fall liegt eine Organschaft im Umsatzsteuerrecht vor. Die Beschränkung auf juristische Personen als eingliederungsfähige Gesellschaften war aber vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EuGH[1] nicht haltbar (Rz. 182a ff.), sodass nach der Rechtsprechung des BFH[2] und nachfolgend auch der FinVerw[3] in Ausnahmefällen auch eine Personengesellschaft weisungsgebunden eingegliedert sein kann, wenn sich die Anteile an der Personengesellschaft ausschließlich in der Hand des potenziellen Organträgers oder anderer Organgesellschaften befinden. Diese sehr einschränkende Umsetzung ist aber vom EuGH[4] ebenfalls als nicht ausreichend angesehen worden, sodass national eine Erweiterung der Eingliederungsmöglichkeiten auch von Personengesellschaften in einen Organkreis notwendig ist.
 

Rz. 64

Soweit die Tätigkeit einer natürlichen Person, eines Personenzusammenschlusses oder einer juristischen Person nach diesen Kriterien nicht als eine nichtselbstständige Tätigkeit eingestuft wird, liegt im Umkehrschluss eine Selbstständigkeit der Betätigung vor, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 UStG – bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts auch der Voraussetzungen des § 2b UStG[5] – zur Unternehmereigenschaft führt.

 

Rz. 65

Die Frage, ob ein Rechtssubjekt selbstständig tätig ist, kann nicht ausschließlich aus gesetzlichen Normen abgeleitet werden, vielmehr sind alle tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten bei der Beurteilung mit heranzuziehen. Dabei erfolgt die Beurteilung der Selbstständigkeit bei natürlichen Personen im Umsatzsteuerrecht nach denselben Grundsätzen, wie das bei der Einkommen- und der GewSt erfolgt[6], allerdings ergibt sich aus der ertragsteuerrechtlichen Beurteilung keine Bindungswirkung für die USt. Auch die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen Beurteilungen sind in diesem Zusammenhang nicht mit heranzuziehen, sie können nur indizielle Bedeutung haben[7], entfalten aber in keinem Fall eine Bindungswirkung für die USt. Deshalb können in Urteilen der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit keine Grundsätze zur umsatzsteuerrechtlichen Unternehmereigenschaft aufgestellt werden.[8] Werden Vergütungen für nichtselbstständige Tätigkeiten nur aus ertragsteuerrechtlichen Gründen umqualifiziert, hat dies für die USt ebenfalls keine Bedeutung.[9] Ob Selbstständigkeit oder Unselbstständigkeit anzunehmen ist, richtet sich grundsätzlich nach dem Innenverhältnis zum Auftraggeber, das Außenverhältnis kann höchstens Indizwirkung für die Frage der Selbstständigkeit haben.

 

Rz. 66

Von besonderer Bedeutung ist die Frage der Ableitung umsatzsteuerrechtlicher Ergebnisse aus anderen Rechtsbereichen bei der Beurteilung der Selbstständigkeit natürlicher Personen, d...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge