2.1 Preisgestaltung nach Steuerermäßigungen

 

Rz. 7

Entsprechend der Begründung für die zunächst bis zum 30.6.2021 vorgesehene befristete Steuersatzabsenkung für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen in § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG (Rz. 3) erwartete der Gesetzgeber eine Stimulierung der Nachfrage und eine Belebung der Konjunktur. Er wollte beobachten, wie sich die Änderung auf die Umsätze und die Abgabepreise auswirken würde.[1] Die Preisgestaltung ist jedoch grundsätzlich allein Sache des Unternehmers. Der Gesetzgeber kann durch die Einführung neuer Umsatzsteuerermäßigungen zwar auf Preissenkungen zugunsten der Verbraucher hoffen. Staatliche Stellen können Unternehmer (hier die Gastwirte usw.) jedoch nicht zwingen, Steuersatzermäßigungen an die Leistungsempfänger (hier die Gäste) weiterzugeben. Ein Beispiel für eine nicht vorgenommene Weitergabe einer Steuersatzabsenkung an den Endkunden stellt die Einführung des ermäßigten Steuersatzes auf Beherbergungsleistungen zum 1.1.2010 dar (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG), als kaum ein Hotelier die Endpreise für Hotelübernachtungen absenkte (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG Rz. 1ff.).

 

Rz. 8

Bei der Einführung der MwSt in Deutschland zum 1.1.1968 sollte der ermäßigte Umsatzsteuersatz nach dem Willen des damaligen Gesetzgebers hauptsächlich den Konsumenten zugute kommen. Inzwischen räumt die Bundesregierung ein, dass ermäßigte Umsatzsteuersätze nicht ausschließlich im Interesse des privaten Letztverbrauchers, sondern unter anderem auch zur Förderung des Leistungserbringers gerechtfertigt sein könnten.[2]

[1] vgl. Begründung des Entwurfs eines (Ersten) Corona-Steuerhilfegesetzes, BT-Drs. 19/19150, 1.
[2] Antwort der Bundesregierung v. 28.6.2019 auf die Fragen 8 und 9 einer Kleinen Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion, BT-Drs. 19/11256, 5.

2.2 Weitergabe der Steuerermäßigung an den Gast

 

Rz. 9

Die vom Gesetzgeber erwartete Stimulierung der Nachfrage aufgrund der zunächst vorgesehenen Befristung bis 30.6.2021 (Rz. 3) setzt voraus, dass die leistenden Unternehmer (Gastwirte usw.) die neue Steuerermäßigung ganz oder zumindest teilweise an die Leistungsempfänger (Gäste) weitergeben. Bei der vollständigen Weitergabe der Steuersatzsenkung von 19 % auf 5 % (im zweiten Halbjahr 2020 betrug der ermäßigte Steuersatz 5 %) an den Gast wäre es in der Zeit vom 1.7. bis 31.12.2020 zu einer Preissenkung der Speisen von ca. 11,8 % gekommen. Nutznießer wären in diesem Fall die Gäste gewesen, während die Gastwirte usw. wegen der Preissenkung nur auf mehr Gäste und damit höheren Umsatz hätten hoffen können.

 
Praxis-Beispiel

In einer Gaststätte betrug der Preis für ein Schnitzel laut Speisekarte bis zum 30.6.2020 11,90 EUR (Entgelt 10 EUR zuzüglich 1,90 EUR USt).

Bei vollständiger Weitergabe der neuen Steuerermäßigung an den Gast würde der Preis für dieses Schnitzel im zweiten Halbjahr 2020 10,50 EUR betragen (Entgelt weiter 10 EUR zuzüglich 0,50 EUR USt). Dies entspricht einer Senkung des bisherigen Preises für das Schnitzel um ca. 11,8 %.

In der Begründung der ersten Verlängerung der Steuersatzsenkung auf die Abgabe von Speisen in der Gastronomie bis 31.12.2022 durch das Dritte Corona-Steuerhilfegesetz v. 10.3.2021 (Rz. 3b) war von einer Nachfragestimulierung und Konjunkturbelebung nicht mehr die Rede. Vielmehr diente die Maßnahme nach dem Willen des Gesetzgebers allein der Unterstützung der Gastronomie. Damit geht der Gesetzgeber stillschweigend davon aus, dass die Steuersatzsenkung nicht den Gästen, sondern allein den Gastronomiebetrieben zugutekommt. Laut Begründung der zweiten Verlängerung der Steuersatzsenkung bis zum 31.12.2023 durch das Achte Verbrauchsteueränderungsgesetz v. 24.10.2022 soll die Gastronomiebranche entlastet und die Inflation nicht weiter befeuert werden (Rz. 3g). Von einer Entlastung der Kunden (Gäste) ist weiterhin nicht die Rede. Eher haben zahlreiche Gastronomiebetriebe unter Verweis auf die erheblich gestiegenen Kosten insbesondere für Energie in den Jahren 2022 und 2023 ihre Endpreise angehoben. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts sind die Preise für Gaststättendienstleistungen von Januar 2021 bis Oktober 2023 nämlich um 20,3 % gestiegen (Rz. 3k).

2.3 Fortführung der bisherigen Preise

 

Rz. 10

Durch die zunächst bis 30.6.2020 befristete Steuersatzsenkung (Rz. 3) sollten auch die Einkommensverluste in der Gastronomie während der Komplettschließungen von Restaurants und Gaststätten von Mitte März bis Juni 2020 und der anschließenden Umsatzrückgänge durch Sitzplatzbeschränkungen und besondere Hygienemaßnahmen zur Vermeidung der Ausbreitung des Corona-Virus halbwegs ausgeglichen werden. Um dies zu erreichen, hätten die Gastwirte usw. die Preise für die angebotenen Speisen zumindest beibehalten müssen. In diesem Fall erzielten die Gastwirte höhere Betriebseinnahmen (Netto-Umsätze). Von jeder abgegebenen Speise bliebe mehr "in ihrer Tasche". Dies bedeutet eine Steigerung der Entgelte um 13,3 %.

 
Praxis-Beispiel

In einer Gaststätte betrug der Preis für ein Schnitzel laut Speisekarte bis zum 30.6.2020 11,90 EUR (Entgelt 10 EUR zuzüglich 1,90 EUR USt). Trotz der Absenkung des Steuersatzes im zweiten Halbjahr 2020 von 19 %...

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