2.7.1 Allgemeines

 

Rz. 153

Führt ein Unternehmer eine Leistung aus, die sich aus mehreren Einzelelementen zusammensetzt, muss geprüft werden, ob es sich um eine einheitliche Leistung oder um mehrere – einzeln zu beurteilende – Leistungen handelt. Liegen mehrere Leistungen vor, muss weiterhin überprüft werden, ob diese als Haupt- und Nebenleistung umsatzsteuerrechtlich einheitlich zu behandeln sind, vgl. zu Haupt- und Nebenleistung Rz. 160. Die Beurteilung, ob es sich um eine Leistung oder um mehrere Leistungen handelt, ist für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung wesentlich. So können sich bei mehreren Leistungen unterschiedliche Leistungsorte ergeben, sodass die einzelnen Leistungselemente eventuell nicht alle steuerbar sind. Darüber hinaus können bei mehreren Leistungen einzelne Leistungselemente auch Steuerbefreiungen unterliegen oder unterschiedliche Steuersätze zur Anwendung kommen.

2.7.2 Einheitlichkeit der Leistung als Grundsatz

 

Rz. 154

Ob eine einheitliche Leistung vorliegt, muss jeweils im Einzelfall geprüft werden, diese Entscheidung obliegt den nationalen Gerichten, die alle dazu notwendigen Tatsachenbeurteilungen vornehmen müssen.[1] Der EuGH hat den nationalen Gerichten alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung von Nutzen sein können.[2] Dabei hatte schon der BFH[3] festgestellt, dass einheitliche wirtschaftliche Vorgänge umsatzsteuerrechtlich nicht in mehrere selbstständige Leistungen zerlegt werden dürfen, wenn sie wirtschaftlich zusammen gehören, ein einheitliches Ganzes darstellen und auf ein einheitliches wirtschaftliches Ziel ausgerichtet sind. Andererseits dürfen aber auch wirtschaftlich zu trennende Vorgänge nicht alleine deshalb zu einer einheitlichen Leistung zusammengefasst werden, weil die Ausführung auf einem Vertrag beruht oder weil ein einheitliches Entgelt dafür entrichtet wird. Dem Umstand, dass ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird, kommt indizielle, aber keine allein entscheidende Bedeutung zu.[4] Dasselbe gilt für den Umstand, dass Leistungen aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden.[5] Dabei ist es unerheblich, ob wirtschaftlich zu trennende Vorgänge freiwillig oder durch Bedingung eines am Vertrag Beteiligten miteinander gekoppelt werden.[6] Dies gilt auch dann, wenn der Leistungsempfänger gegenüber dem leistenden Unternehmer mit einer (willkürlichen) Aufspaltung einer einheitlichen Leistung einverstanden ist.[7] Es ist jeweils das Wesen des Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Abnehmer mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt.[8] Dabei ist auf die Sicht eines Durchschnittsverbrauchers[9] abzustellen.[10]

 

Rz. 155

Auch aus der Rechtsprechung des EuGH[11] ergibt sich, dass bei einem Umsatz, der ein Leistungsbündel darstellt, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, um zu bestimmen, ob zwei oder mehr getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung vorliegt.[12] Dabei ist jeder Umsatz i. d. R. als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten und darf im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden.[13] Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein Teil oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile aber Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistungen teilen.[14]

 

Rz. 155a

Liegt nach den aufgrund dieser Grundsätze im jeweiligen Einzelfall überprüften Voraussetzungen eine einheitliche Leistung vor, die aus zwei separaten Bestandteilen (einem Haupt- und einem Nebenbestandteil) besteht, kann die Besteuerung dieses Umsatzes auch nur zu einem einheitlichen Steuersatz erfolgen, der sich nach dem jeweiligen Hauptbestandteil richtet. Dies gilt auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils, der in den vom Verbraucher für die Inanspruchnahme dieser Leistung gezahlten Gesamtpreis einfließt, bestimmt werden kann.[15]

Der EuGH[16] hat diese Grundsätze auch in dem Fall bestätigt, in dem sich aus dem nationalen Steuerrecht (hier § 4 Nr. 12 S. 2 UStG zum Ausschluss der Steuerfreiheit bei der Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen) ein vermeintliches "gesetzliches Aufteilungsgebot" ergibt. Da sich aus Art. 135 Abs. 1 Buchst. l und Abs. 2 MwStSystRL keine zwingende Aufteilungsklausel ergibt, die es erlauben würde, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in eigenständige Leistungen aufzuteilen, kann sich die Steuerfreiheit bzw. der Steuersatz insoweit nur einheitlich ergeben. Allerdings muss unter Beachtung der Besonderheiten eines jeden Einzelfalls geprüft werden, ob tatsächlich eine einheitliche Leistung vorliegt und – wenn ja – welches Leistungselement der Gesamtleistung das Gepräge gibt. Es ergibt sich in solchen Fällen keine Grundregelung, dass der Grundstücksteil die "Hauptleistung" sein muss, es kann auch dazu kommen, dass die Betriebsvorrichtung als prägendes Leistungselement anzusehen ist und dann der Grundstücksbestandteil der einheitlichen Leistung die "Nebenleistung" darstellt.

 

Rz. 156

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