Rz. 160

Ist nach den vorstehenden Grundsätzen festgestellt worden, dass es sich nicht um eine einheitliche Leistung, sondern um mehrere, wirtschaftlich trennbare Leistungen handelt, muss geprüft werden, ob einzelne Leistungen Nebenleistungen zu einer als Hauptleistung zu qualifizierenden Leistung darstellen. Nebenleistungen teilen grundsätzlich das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung.[1] Dies gilt selbst dann, wenn für die Nebenleistung ein besonderes Entgelt verlangt und entrichtet wird.[2]

 

Rz. 161

Nach der ständigen Rechtsprechung von EuGH und BFH[3] ist eine Leistung dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers im Vergleich zu der Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng – i. S . einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung – zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. Sie darf für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck haben, sondern sie muss das Mittel darstellen, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können.[4] Für die Einordnung, ob es sich bei einer Leistung um eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung handeln kann, ist es unbeachtlich, ob es sich um eine unselbstständige Lieferung (z. B. Verschaffung der Verfügungsmacht an Verpackungsmaterial) oder um eine unselbstständige sonstige Leistung (z. B. Transportleistung) handelt.[5]

 

Rz. 162

Ob eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung vorliegt, ist immer aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen; muss also aus objektiver Sicht betrachtet werden. Dabei handelt es sich bei dem "Durchschnittsverbraucher" allerdings lediglich um eine "gedankliche Perspektive"[6], die es nicht erforderlich macht, die Sicht eines solchen Durchschnittsverbrauchers tatsächlich zu erforschen. Auf die subjektive Sicht (Einschätzung der Vertragsparteien) kommt es hingegen nicht an.[7]

Zur Frage, wie die Sicht des Durchschnittsverbrauchers – die nach der Rechtsprechung des EuGH ein wesentliches Element des Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer darstellen soll – zu interpretieren ist, hat der EuGH[8] festgestellt, dass ein Gericht im Allgemeinen in der Lage ist, die Sicht des Durchschnittsverbrauchers aufgrund eigener Sachkunde festzustellen. Das Unionsrecht verbietet jedoch nicht, dass ein nationales Gericht, das bei dieser Beurteilung besondere Schwierigkeiten hat, hierzu nach Maßgabe des nationalen Rechts ein Sachverständigengutachten einholt.

 

Rz. 163

Ein Haupt- und Nebenleistungsverhältnis kann sich grundsätzlich nur dann ergeben, wenn die Leistungen zwischen denselben Vertragsparteien ausgeführt werden. Eine Leistung, die von einem anderen Unternehmer ausgeführt wird, als dem, der die "Hauptleistung" ausführt, kann nie eine Nebenleistung darstellen. Dies gilt unabhängig davon, welchem wirtschaftlichen Zweck die Leistung dient und wem gegenüber die Leistung ausgeführt wird. Damit können sich unterschiedliche umsatzsteuerrechtliche Ergebnisse in Abhängigkeit des Abschlusses von Verträgen ergeben. Im Regelfall wird dies aber nur zu steuerlich interessanten Gestaltungsmöglichkeiten führen, wenn der Leistungsempfänger nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.

 
Praxis-Beispiel

Unterschiedliche Ergebnisse in Abhängigkeit der Vertragslage

Krankenhausbetreiber K aus München hat bei einem Zulieferer aus Hamburg einen größeren Posten von ermäßigt besteuerten Körperersatzstücken (gem. lfd. Nr. 52 zur Anlage 2 zum UStG) bestellt. Alternativ kann der Lieferer die Gegenstände durch einen von ihm beauftragten Frachtführer nach München transportieren lassen oder die Ware wird durch einen von K beauftragten Frachtführer in Hamburg abgeholt.

Beauftragt der Lieferer den Frachtführer mit dem Transport nach München, wird die Transportleistung vom Frachtführer an den Lieferer ausgeführt, der die entstehende USt für den Transport (zum jeweiligen Regelsteuersatz) als Vorsteuer abziehen kann. Wenn der Lieferer dies dem K weiterbelastet, handelt es sich um eine Nebenleistung, die das Schicksal der Hauptleistung teilt und somit wie die Hauptleistung nur mit dem ermäßigten Steuersatz der USt unterliegt.

Beauftragt K selbst den Frachtführer, führt der Frachtführer die Leistung direkt an K aus – da der Frachtführer nur diese Leistung ausführt, kann es sich nicht um eine Nebenleistung handeln. Die Leistung des Frachtführers unterliegt dem Regelsteuersatz. K ist mit dem Regelsteuersatz aus dem Transport wirtschaftlich belastet, soweit die erworbenen Gegenstände im Rahmen steuerfreier Heilbehandlungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG eingesetzt werden.

 

Rz. 164

Liegt eine Nebenleistung zu einer Hauptleistung vor, teilt die Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung. Für die Nebenleistung gelten damit dieselben umsatzsteuerrechtlichen Folgen, wie für die Hauptleistung. Dabei ist es für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung unerheblich, ob die Abrechnung in einer einheitlichen Rechnung erfolgt oder ob eine getrennte Abrechnung vorlieg...

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