Entscheidungsstichwort (Thema)

Kein Verbrauch der Ermäßigung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG bei fehlendem Veräußerungsgewinn

 

Leitsatz (amtlich)

Kein Verbrauch der Ermäßigung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG bei fehlendem Veräußerungsgewinn und folglich fehlendem Wahlrecht trotz fehlerhafter Gewährung der Ermäßigung durch das Finanzamt ohne Antrag der Kläger.

 

Normenkette

EStG § 34 Abs. 3 S. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.09.2021; Aktenzeichen VIII R 2/19)

 

Tatbestand

Die Kläger begehren, bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit für den Veräußerungsgewinn aus der Beteiligung an der Gemeinschaftspraxis A den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) zu gewähren.

Der Kläger war bis zu seinem Ausscheiden zum 2. Januar 2016 Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis. Die Gemeinschaftspraxis bestand bis zum 1. Januar 2006 aus den Gesellschaftern C, D, E und F. Zum 2. Januar 2006 schied C aus der Gemeinschaftspraxis aus und übertrug ihren Gesellschaftsanteil auf die verbleibenden drei Gesellschafter. In 2006 wurden die Gesellschafter G, H und I als neue Gesellschafter aufgenommen. Die Aufnahme erfolgte nach dem Gewinnverzichtsmodell. Die eintretenden Gesellschafter leisteten keine Einlage, sondern verzichteten über einige Jahre auf Gewinn und Entnahmen. Deshalb entstand bei den Alt-Gesellschaftern kein Veräußerungsgewinn. Ebenfalls in 2006 erhielt die Gemeinschaftspraxis eine Sonderzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von 79.865,91 €, die auf Leistungen aus der Zeit der Gemeinschaftspraxis mit Frau C beruhten. Es handelte sich um Nachzahlungen für mehrere Jahre im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG. Diese wurden in der Feststellungserklärung der Gemeinschaftspraxis als der Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG unterliegende tarifbegünstigte Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 EStG erklärt. Auf den Kläger entfiel ein Betrag von 39.932,96 €. Der Feststellungsbescheid erging am 5. März 2008 erklärungsgemäß und stellte für den Kläger den Betrag von 39.932,96 € als „tarifbegünstigte Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 1 und 3 EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 EStG“ fest. Es wurde für ihn kein Veräußerungsgewinn gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 EStG festgestellt.

In der Einkommensteuer(ESt)-Erklärung 2006 erklärte der Kläger auf der Anlage GSE gewerbliche Einkünfte als Mitunternehmer (Steuernummer X, Finanzamt K) einen Gewinn von 3.579 € und bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit in der Zeile 52 unter „Sonstiges“ einen begünstigten Gewinn nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 EStG von 39.932 €. Eintragungen in den Zeilen 44 bis 51, in denen Angaben zu Veräußerungsgewinnen zu erklären sind, wurden nicht vorgenommen, insbesondere wurde weder der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG (Zeile 44) noch die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes (Zeile 46) beantragt. Nach Mitteilung des Finanzamts K vom 9. Mai 2008 betrugen die festgestellten anteiligen Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Klägers 291,98 €. Nach Mitteilung des Finanzamts M vom 5. März 2008 betrugen die anteiligen Einkünfte des Klägers an der Gemeinschaft C pp. 466.273,11 €, darin enthalten waren u.a. „39.932,96 € tarifbegünstigte Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 1 und 3 EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 EStG ... Der Betrieb wurde am 2.01.2006 aufgegeben/veräußert“.

Fehlerhaft ging der Beklagte bei der Auswertung der Mitteilung über die anteiligen Einkünfte an der Gemeinschaft C pp. vom 5. März 2008 von einem anteiligen „Veräußerungsgewinn“ aus, wies ihn im ESt-Bescheid 2006 vom 9. Juni 2008 bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit gesondert aus und gewährte den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG. Dieses war in der Berechnung der Steuer „§ 34 Abs. 3 EStG mit 21,6482 % aus 39.932,96 € ... 8.644“ ausgewiesen. Unter den Erläuterungen war aufgeführt: „Die Abweichungen von den erklärten Angaben ergeben sich aus dem Feststellungsbescheid vom 9.05.2008“.

Aufgrund einer Außenprüfung bei der Gemeinschaft C pp. wurde der Feststellungsbescheid am 18. August 2008 geändert; die anteiligen Einkünfte des Klägers betrugen 469.267,43 €. In der Mitteilung vom 18. August 2008 blieben die Angaben „39.932,96 € tarifbegünstigte Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 1 und 3 EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 EStG“ ... „Der Betrieb wurde am 2.01.2006 aufgegeben/veräußert“ unverändert. Der ESt-Bescheid für 2006 wurde am 23. September 2008 nach § 164 Abs. 2 AO geändert; eine Korrektur der fehlerhaften Auswertung der Mitteilung vom 5. März 2008 erfolgte nicht. Unter den Erläuterungen war aufgeführt: „Änderungen ergeben sich aus der Mitteilung (Gemein. C usw. StNr. xx xxx xxxxx) vom 18.08.08. Einkünfte aus selbständiger Arbeit betragen demnach 469.267,- €“. Der Bescheid vom 23. September 2008 wurde bestandskräftig.

Der steuerliche Vorteil aus dem rechtswidrig gewährten ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG und der zutreffenderweise zu gewährenden Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 EStG beträgt rd. 8.000 €. Dem Prozessbevollmächtigten war aufgefallen, dass der Beklagte in den ESt-Bescheiden 2...

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