Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der sog. Mindestbesteuerung ernstlich zweifelhaft

 

Leitsatz (redaktionell)

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Mindest-besteuerung (§ 2 Abs. 3 Sätze 2 - 8 EStG i.d.F. des StEntlG 99 ff.) und damit zugleich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung, wenn die Mindestbesteuerung in das Existenzminimum eingreift (Anschluss an BFH BStBl II 2003, 516 und 523).

Nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob das die Existenz sichernde verfügbare Einkommen um die "normalen Absetzungen für Abnutzung" zu erhöhen ist. Die Klärung dieser Frage bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung bestehen jedenfalls dann, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Steuerpflichtige im Streitjahr durch die Einkunftserzielung veranlasste Aufwendungen getätigt hat, die steuerlich nicht zu berücksichtigen waren und nicht berücksichtigt worden sind (z.B. Anschaffung / Herstellung von Wirt-schaftsgütern mit einer mehrjährigen Nutzungsdauer, Anzahlung für die Anschaffung / Herstellung von Wirtschaftsgütern, Tilgung von Krediten).

 

Normenkette

EStG § 2 Abs. 3 Sätze 2-8; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Tatbestand

I.

In dem beim Antragsgegner, dem Finanzamt (Ag.), anhängigen Einspruchsverfahren ist streitig, ob der Bescheid für 2001 über Einkommensteuer (ESt), Solidaritätszuschlag (SolZ) und Kirchensteuer (KiSt) vom 25. Mai 2004 die Antragsteller (Ast.) deshalb in ihren Rechten verletzt, weil die Regelungen über die sog. Mindestbesteuerung (§ 2 Abs. 3 Sätze 2 ff des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung - EStG), auf deren Grundlage die Steuerfestsetzung erfolgt ist, wegen Eingriffs in das Existenzminimum verfas-sungswidrig sind. Streitig ist insbesondere, ob die von den Ast. bei der Ermittlung ihrer Einkünfte angesetzten "normalen" Absetzungen für Abnutzung (AfA) bei der Ermittlung des steuerfrei zu belassenden Existenzminimums außer Betracht zu bleiben haben.

Den gleichzeitig mit der Einlegung des Einspruchs gestellten Antrag, die Vollziehung des angefochtenen Bescheides auszusetzen, hat der Ag. durch Verwaltungsakt vom 29. Juli 2004 abgelehnt. Im vorliegenden Verfahren begehren die Ast. die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Bescheides gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Ast. beantragen,

die Vollziehung des Bescheides für 2001 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer vom 25. Mai 2004 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung in voller Höhe auszusetzen.

Der Ag. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Ag. ist dem Antrag mit Rechtsausführungen entgegengetreten.

Wegen der Einzelheiten des Sachvortrags wird auf die zwischen den Beteiligten gewechsel-ten Schriftsätze Bezug genommen.

Die ESt-Vorgänge sind beigezogen worden und waren Gegenstand der Beratung.

 

Entscheidungsgründe

II.

Der Antrag ist im Wesentlichen begründet.

Der Antrag hat keinen Erfolg, soweit die Ast. die AdV der durch den angefochtenen Bescheid festgesetzten ESt, des festgesetzten SolZ und der festgesetzten KiSt in Höhe der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, der anzurechnenden Körperschaftsteuer und der festgesetzten Vorauszahlungen begehren. In diesem Umfang ist die AdV und die Aufhebung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 8 FGO ausgeschlossen. Der Ausnahmetatbestand des § 69 Abs. 3 Satz 4 i.V.m. § 69 Abs. 2 Satz 8 Halbsatz 2 FGO, wonach die Beschränkung der AdV und der Aufhebung der Vollziehung nicht gilt, wenn die AdV bzw. die Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint, ist im Streitfall nicht einschlägig. Dafür, dass die AdV bzw. Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig ist, haben die Ast. nichts vorgetragen und kann auch dem Inhalt der beigezogenen Steuerakte nichts entnommen werden.

Der Antrag ist begründet, soweit er sich auf die nach Abzug der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, der anzurechnenden Körperschaftsteuer und der festgesetzten Vorauszahlungen verbleibenden Beträge (ESt 2001: 700.000,00 DM SolZ 2001: entsprechend der ESt; KiSt 2001: entsprechend der ESt) bezieht.

Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsaktes neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unsicherheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage im summarischen Beschlussverfahren nicht abschließend zu e...

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