rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Erfolgshonorar eines Rechtsanwalts in einem wegen Enteignungen in der NS-Zeit geführten, zwölf Jahre dauernden Restitutionsverfahren keine tarifbegünstigte „Vergütung für mehrjährige Tätigkeit”. Keine tatsächliche Verständigung über Rechtsfrage. Abschreibung eines durch Schuldübernahme erworbenen Praxiswerts in einer Nutzungsdauer von vier Jahren. Anwendung der Mindestbesteuerung nur auf unechte Verluste

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Hat ein selbstständiger Rechtsanwalt ein Mandat zur Geltendmachung vermögensrechtlicher Entschädigungen wegen rechtsstaatswidriger Enteignungen in der NS-Zeit unter Vereinbarung eines am Wert des entschädigten Vermögens orientierten Erfolgshonorars übernommen, so stellt das nach einer Verfahrensdauer von zwölf Jahren letztendlich von den Mandanten erhaltene Erfolgshonorar keine nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG tarifbegünstigte Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit dar.

2. Die Frage, ob es sich bei dem Restitutionsverfahren (unter 1.) um eine von der üblichen Tätigkeit eines Rechtsanwalts abweichende Sondertätigkeit handelt, ist eine rechtliche Bewertung, über die eine tatsächliche Verständigung unzulässig ist.

3. Erwirbt ein Freiberufler durch Übernahme von Verbindlichkeiten den Praxisanteil eines anderen und schafft er dabei entgeltlich einen (anteiligen) Praxiswert an, weil der Kaufpreis den Substanzwert der materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter abzüglich der Verbindlichkeiten übersteigt, so handelt es sich um ein abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut i. S. d. § 4 Abs. 3 S. 3 EStG (vgl. BFH v. 29.4.2011, VIII B 42/10). Der AfA dieses Praxiswertanteils kann ein Mittelwert von vier Jahren zugrunde gelegt werden.

4. Unter den Begriff der „negativen Summen” in § 2 Abs. 3 EStG i. d. F. des StEntlG 1999/2000/2002 fallen keine Verluste, die tatsächlich wirtschaftlich erzielt werden (sog. „echte” Verluste; Anschluss an BFH v. 9.3.2011, IX R 56/05), dagegen schon sog. „unechte” Verluste (wie z. B. durch Sonderabschreibungen nach § 4 FördergebietsG).

 

Normenkette

EStG 2002 § 34 Abs. 1, 2 Nr. 4, § 4 Abs. 3 S. 3, § 2 Abs. 3, § 5 Abs. 2; AO §§ 204, 88

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.09.2014; Aktenzeichen VIII R 1/12)

BFH (Urteil vom 16.09.2014; Aktenzeichen VIII R 1/12)

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 4. Februar 2004, zuletzt geändert am 3. März 2011, und der Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Verlustvortrages zum 31. Dezember 2002 vom 4. Februar 2004, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Juli 2005, werden dahingehend abgeändert, dass bei den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit weitere Betriebsausgaben von EUR 49.344 sowie Verluste von EUR 87.950 aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – unabhängig von den weiteren ausgleichsfähigen negativen Einkünften des § 2 Abs. 3 EStG – zu berücksichtigen sind. Die Berechnung wird dem Beklagten auferlegt.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Von den Kosten des Verfahrens trägt der Kläger 2/3, der Beklagte 1/3.

3. Das Urteil ist für der Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, wie der Kläger ein Anwaltshonorar für eine mehrjährige Tätigkeit zu versteuern hat.

Der Kläger ist als selbständiger Rechtsanwalt tätig. Im Jahr 1990 übernahm er ein Mandat, mit dem er beauftragt wurde, vermögensrechtliche Entschädigungen wegen rechtsstaatswidriger Enteignungen in der NS-Zeit geltend zu machen. Mit dem Mandanten vereinbarte er ein Erfolgshonorar, das sich an dem Wert des entschädigten Vermögens orientieren sollte. Die Bemühungen des Klägers waren erfolgreich, im Jahr 2002 kam es zur Auszahlung eines Erstattungsbetrages an die Erben in den USA. Das dem Kläger zugeflossene Erfolgshonorar betrug EUR 561.787,07. Sowohl in den Streitjahren 1998 bis 2001 wie auch in den Folgejahren erzielte der Kläger keine Einkünfte aus seiner Anwaltskanzlei, die eine vergleichbare Höhe hatten, der höchste Gewinn betrug 2005 EUR 148.200.

Am 22. Februar 2002 ordnete das Amtsgericht X (Az.: … L …/02) die Zwangsverwaltung des dem Kläger gehörenden Objekts Y-straße 12 und 14 an, aus dessen Vermietung er u.a. 2002 negative Einkünfte erzielt hatte. Mit Beschluss vom 22. Oktober 2008 erteilte das Amtsgericht X (… K …/05) den Zuschlag für das Grundstück an einen Dritterwerber.

Am 27. November 2003 reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärung für 2002 ein, in der er seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit aufgrund der ebenfalls eingereichten Gewinn- und Verlustrechnung mit EUR 559.209 angab, worin das Erfolgshonorar in voller Höhe enthalten war. Des Weiteren hatte der Kläger u.a. negative Einkünfte in Höhe von EUR 564.884 bzw. gemäß dem Bescheid vom 3. März 2011 von EUR 1.534.610 aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Mit Bescheid vom 4. Februa...

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