rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kindergeld als mit Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und Hilfe zum Lebensunterhalt gleichartige Leistung. Nachrangigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Kindergeld ist, soweit es der Förderung der Familie dient, eine mit den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) und nach dem SGB XII gleichartige Leistung. Dabei kommt es nicht auf die Form der Leistung (Geldleistung oder Sachleistung) an.

2. Das Kindergeld des Vaters, der Leistungen nach dem AsylbLG bezieht, für das minderjährige Kind ist als Einkommen des Kindes anzusehen.

3. Die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem dritten Kapitel des SGB XII und die Leistungen nach dem AsylbLG sind gegenüber dem Anspruch auf Kindergeld gem. §§ 62 ff. EStG nachrangige Leistungen.

 

Normenkette

EStG § 74 Abs. 2; SGB X § 104 Abs. 1-2; AsylbLG § 3; SGB XII § 82 Abs. 1

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 16.06.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.07.2010 verpflichtet, dem Kläger das Kindergeld des Beklagten für das am 13.05.2010 geborene Kind N.B. zu erstatten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung des zugunsten des Beigeladenen für seine am 13.05.2010 geborene Tochter N.B. festgesetzten Kindergeldes an den Kläger.

Der Kläger gewährte für das in B. bei der Kindesmutter lebende Kind N.B. zunächst Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz und nach der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung – SGB XII –. Die Kindesmutter war im Besitz einer Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens. Der in C. lebende Beigeladene besaß eine Niederlassungserlaubnis. Die Eltern haben das gemeinsame Sorgerecht.

Unter dem 31.05.2010 beantragte der Kläger für das Kind N.B. Kindergeld bei der Beklagten und zugleich Erstattung an ihn. Mit Bescheid vom 16.06.2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Es bestehe kein Anspruch auf Kindergeld, weil das Kind nicht im Haushalt des Kindesvaters lebe. Dagegen legte der Kläger am 25.06.2010 Einspruch ein. Mit Bescheid vom 02.07.2010 setzte die Beklagte ab Mai 2010 Kindergeld für das Kind N.B. zugunsten des Beigeladenen fest und zahlte es an den Beigeladenen aus. Mit Einspruchsentscheidung vom 14.07.2010 wies die Beklagte den Einspruch wegen der Ablehnung des Erstattungsanspruchs als unbegründet zurück. Ein Erstattungsanspruch bestehe nicht, weil die Leistungen für die Tochter nur unter Berücksichtigung der Einkünfte und Bezüge der mit dem Kind im Haushalt lebenden Kindesmutter und nicht des in C. lebenden kindergeldberechtigten Kindesvaters erbracht worden seien.

Am 10.08.2010 hat der Kläger Klage erhoben.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 16.06.2010 und der Einspruchsentscheidung vom 14.07.2010 die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger im Wege der Erstattung für das Kind N.B. das Kindergeld des kindergeldberechtigten Beigeladenen ab Mai 2010 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13.04.2016 ist für den Kläger niemand erschienen. Der Beigeladene hat erklärt, dass er das Kindergeld weitergegeben habe. Er habe entweder für sein Kind eingekauft oder Bargeld mitgebracht, wenn er es besucht habe.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 40 Abs. 1 Fall 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – zulässig. Erstattungsansprüche im Sinne von § 74 Abs. 2 EinkommensteuergesetzEStG – können mangels Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen den Hauptbeteiligten nicht hoheitliche durch Verwaltungsakt geregelt werden. Soweit der Senat mit der Verurteilung des Beklagten zur Erstattung des Kindergeldes für das Kind N.B. an den Kläger den „Ablehnungsbescheid” und die „Einspruchsentscheidung” aufhebt, dient dies der Klarstellung.

Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung des Kindergeldes für das Kind N.B. nach § 74 Abs. 2 EStG i.V.m. § 104 Abs. 2 und Abs. 1 Sätze 1 und 2 Zehntes Buch SozialgesetzbuchSGB X –.

Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die – hier nicht einschlägigen – Voraussetzungen des § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist nach § 104 Abs. 1 SGB X der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistung durch einen anderen Leistungsträger selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Nach § 104 Abs. 2 SGB X gilt § 10...

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