Leitsatz

Rückkehr zur Soll-Besteuerung ist bis Eintritt der formellen Bestandskraft möglich

 

Sachverhalt

Der Kläger gab in dem Betriebseröffnungsfragebogen die voraussichtlichen Umsätze des Jahres 2005 mit 17.000 EUR an und beantragte zugleich, die Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten zu gestatten. Für 2006 gab er eine in sich widersprüchliche Umsatzsteuererklärung ab, indem er die Kleinunternehmerregelung partiell für die im Jahr 2006 vereinnahmten Entgelte für im Jahr 2005 erbrachte Leistungen zur Anwendung bringen wollte. Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer Außenprüfung die Auffassung, dass die Kleinunternehmerregelung nicht zur Anwendung komme, weil bei einer objektivierten Prognose von einem Überschreiten der Kleinunternehmergrenze auszugehen sei. Ansonsten ermittelte die Betriebsprüfung die Besteuerungsgrundlagen auf der Grundlage der Ist-Besteuerung. Im Laufe des Klageverfahrens für das Streitjahr 2006 erklärte der Kläger, an seinem Antrag auf Ist-Besteuerung nicht mehr festhalten zu wollen, da sich daraus für ihn - bezogen auf das Streitjahr - eine höhere Umsatzsteuerbelastung ergebe.

 

Entscheidung

Die Klage hatte Erfolg. Nach Ansicht des FG ist die Umsatzsteuer für das Streitjahr 2006 nach vereinbarten Entgelten zu berechnen, weil der Kläger seinen Antrag auf Versteuerung nach vereinnahmten Entgelten im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 17.12.2010 zurückgenommen hat bzw. erklärt hat, die Umsätze soll-versteuern zu wollen. Das Gericht hält eine solche Rückkehr zur Soll-Besteuerung nach zunächst erteilter Gestattung der Ist-Besteuerung für möglich, da der Steuerpflichtige von der ihm erteilten Gestattung keinen Gebrauch machen müsse. Als äußerste zeitliche Grenze für die Rückkehr zur Soll-Besteuerung sieht das Gericht den Eintritt der formellen Bestandskraft des jeweiligen Steuerbescheides.

 

Hinweis

Auch der BFH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung [1] entschieden, dass ein rückwirkender Wechsel von der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten bis zur formellen Bestandskraft der jeweiligen Jahressteuerfestsetzung zulässig ist. Danach steht es dem Unternehmer grundsätzlich frei, von der Gestattung der Ist-Besteuerung keinen Gebrauch zu machen und ohne Weiteres zur Soll-Besteuerung zurückzukehren. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen [2]. Generell ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf Genehmigung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten an keine Frist gebunden ist. Er kann deshalb auch noch im Laufe und selbst nach Ablauf eines Besteuerungszeitraums rückwirkend gestellt und vom Finanzamt genehmigt werden, und zwar so lange, wie die Steuerfestsetzung für dieses Jahr noch nicht formell bestandskräftig ist.

Gemäß § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG dürfen die Umsätze nicht doppelt erfasst oder unversteuert bleiben, wenn der Unternehmer die Art der Steuerberechnung wechselt. Zu dieser Vorschrift hat das FG klar gestellt, dass das Tatbestandsmerkmal "unversteuert" in diesem Sinn nur dann erfüllt ist, sofern verfahrensrechtlich die Erfassung in einem anderen Besteuerungszeitraum nicht mehr möglich ist. § 20 Abs. 1 Satz 3 UStG kommt daher nur dann zur Anwendung, wenn verfahrensrechtlich keine Möglichkeit mehr besteht, die maßgebenden Umsatzsteuerbescheide in zutreffender Art und Weise zu ändern.

 

Link zur Entscheidung

Niedersächsisches FG, Urteil vom 22.12.2010, 16 K 303/10

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