3.1 Handelsrecht

 

Rz. 18

Für die handelsbilanzielle Bewertung von Rückstellungen gilt:

  • Nach § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB sind Rückstellungen "in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrages anzusetzen" und
  • nach § 253 Abs. 2 HGB sind Rückstellungen mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr mit dem ihrer Laufzeit entsprechenden durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen 7 Geschäftsjahre abzuzinsen.

Dieser Abschnitt des Beitrages behandelt die Bewertung mit dem "Erfüllungsbetrag"[1], das Diskontierungsgebot wird unter Rz. 28 ff. behandelt. Der Gesetzgeber[2] stellt 2 wesentliche Gesichtspunkte zum Begriff Erfüllungsbetrag heraus:

  • Unter dem Begriff "Erfüllungsbetrag" ist der Betrag zu verstehen, der zur Erfüllung der Verbindlichkeiten aufgebracht werden muss; dies ist bei Geldleistungsverpflichtungen der Rückzahlungsbetrag und bei Sachleistungs- oder Sachwertverpflichtungen der im Erfüllungszeitpunkt voraussichtlich aufzuwendende Geldbetrag.
  • Zudem wird mit der Verwendung des Begriffs "Erfüllungsbetrag" ausdrücklich klargestellt, dass bei der Rückstellungsbewertung in der Zukunft – unter Einschränkung des Stichtagsprinzips – künftige Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen sind.

    Nachdem das HGB durch § 255 Abs. 2 HGB eine Einbeziehungspflicht von Material- und Fertigungsgemeinkosten in die Herstellungskosten vorschreibt (einschließlich des Werteverzehrs des Anlagevermögens), ist unter Geltung des BilMoG die Passivierung "der insgesamt für die Erfüllung der hinter den Rückstellungen stehenden Verpflichtungen aufzuwendenden Vollkosten" geboten.[3]

 

Rz. 19

Die Verpflichtung, Preis- und Kostensteigerungen zu berücksichtigen, greift, wenn diese sich konkret abzeichnen (sind also nicht immer zwingend zu berücksichtigen). Das ergibt sich aus dem gesetzlich verankerten Zusatz "nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung mit dem Erfüllungsbetrag zu bewerten". Dadurch besteht die Notwendigkeit ausreichend objektiver Hinweise "für den Eintritt künftiger Preis- und Kostensteigerungen. Hierbei dürfte es wohl nicht zulässig sein, externe Ereignisse wie z. B. Gesetzesänderungen, die noch nicht verabschiedet bzw. quasi sicher sind (z. B. rückstellungserhöhende Berücksichtigung möglicher strengerer Umweltauflagen) oder unbekannte Technologien bei den Rückstellungen in der Preis- und Kostensteigerungsberechnung (ebenso wenig wie ggf. in der Preis- und Kostensenkungsberechnung) mit einzubeziehen. Die einfachste Methode, um Preis- und Kostensteigerungen zu prognostizieren, ist die branchenspezifische Trendfortschreibung, die Entwicklungen aus der Vergangenheit in die Zukunft projiziert."[4]

[2] Siehe Begründung des Regierungsentwurfs (Besonderer Teil), Art. 1 (Änderung des HGB), zu Nr. 10 (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB).
[3] Weigl/Weber/Costa, BB 2009, S. 1065.
[4] Weigl/Weber/Costa, BB 2009, S. 1063. Vgl. Drinhausen/Ramsauer, DB 2009, S. 50.

3.2 Steuerrecht

 

Rz. 20

Mit Ausnahme der Pensionsrückstellung darf die Höhe der Rückstellung in der Steuerbilanz den zulässigen Ansatz in der Handelsbilanz nicht überschreiten – eine nicht unumstrittene Auffassung der Finanzverwaltung.[1]

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. af EStG kommt es bei der Bewertung von Rückstellungen zu nachstehenden Einschränkungen:

 

Rz. 21

Erfahrungsberücksichtigung bei gleichartigen ungewissen Verbindlichkeiten

Bei der Bewertung von Rückstellungen für gleichartige ungewisse Verbindlichkeiten oder Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, ist auf der Grundlage der Erfahrungen in der Vergangenheit aus der Abwicklung solcher Verbindlichkeiten oder Gewährleistungen die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, dass es nur zu einem Teil der Summe dieser Verbindlichkeiten oder Gewährleistungen zur Inanspruchnahme kam. Bei der Bewertung gleichartiger Rückstellungen – z. B. (pauschale) Gewährleistungs- oder Kulanzrückstellungen – sind demzufolge Erfahrungen in der Vergangenheit aus der Abwicklung der solchen Rückstellungen zugrunde liegenden Geschäftsrisiken zu berücksichtigen.[2]

Für Versicherungsunternehmen gelten folgende Sonderregelungen: Beschränkung der Schwankungsrückstellungen (§ 20 Abs. 1 KStG), der Rückstellung für nicht abgewickelte Versicherungsfälle (§ 20 Abs. 2 KStG), der Rückstellungen für Beitragsrückerstattung (§ 21 KStG) und der Deckungsrückstellungen (§ 21a KStG).[3]

 

Rz. 22

Sach-, Dienst- oder Werkleistungsverpflichtungen

§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. b EStG stellt für das Steuerrecht klar, dass der Vollkostenansatz bei der Rückstellungsbewertung verboten ist; zu bewerten ist zu Einzelkosten und angemessenen Teilen der notwendigen Gemeinkosten.

 

Rz. 23

§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. c EStG fordert eine realitätsnähere Bewertung von Rückstellungen, insbesondere auch durch den Abzug von künftigen Vorteilen (z. B. Einnahmen) bei der Bewertung von Rückstellungen.[4]

Dem entspricht der BFH,[5] nach dem bei der Bewertung von Rückstellungen Rückgriffsansprüche zu berücksichtigen sind, wenn sie (1) in einem unmittelbaren Zusamme...

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