7.1 Rückstellung aufgrund von Abholverpflichtung

Hersteller von Elektro- und Elektronikgeräten sind nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) verpflichtet, nach dem 13.8.2005 in Verkehr gebrachte Geräte abzuholen und zu entsorgen. Die "Gemeinsame Stelle" der Hersteller gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 ElektroG ist vom Umweltbundesamt mit der Wahrnehmung dieser hoheitlichen Aufgaben betraut. Sie registriert die Hersteller, ermittelt den Umfang der Abholpflichten, erlässt im Rahmen einer Beleihung Abholanordnungen, koordiniert die Bereitstellung von Sammelbehältern sowie die Abholung der Altgeräte. Die "Gemeinsame Stelle" stellt den Herstellern für diese Aufgaben Gebühren in Rechnung.

Die Hersteller sind zur Entsorgung der Altgeräte der Kunden gesetzlich verpflichtet, sodass die Frage berechtigt ist, ob für diesen nachträglichen Aufwand bei Abschluss des Kaufvertrags ein Erfüllungsrückstand gegeben ist, der zu einer Rückstellungsbildung berechtigt.

Nach dem Urteil des BFH vom 25.1.2017[1] können für diese Verpflichtungen Rückstellungen jedoch erst gebildet werden, wenn sie durch den Erlass einer sog. Abholanordnung der "Gemeinsamen Stelle" hinreichend konkretisiert werden. In dem Streitfall handelte es sich um eine Herstellerin von Energiesparlampen, welche für die von ihr in Verkehr gebrachten Geräte mit dem Argument Rückstellungen gebildet hatte, die Abhol- und Entsorgungspflicht ergebe sich unmittelbar aus dem ElektroG. Der BFH hat klargestellt, dass sich die Abhol- und Entsorgungsverpflichtung der Hersteller zwar als abstrakte Rechtspflicht aus dem ElektroG ergibt, sich diese aber erst durch den Erlass einer zusätzlichen Abholverfügung hinreichend konkretisiert. Eine Rückstellungsbildung wurde daher mangels Abholanordnung abgelehnt.

7.2 Bemühungspflicht versus Betreuungspflicht

Mit Urteil vom 25.7.2019 hat der BFH die Revision einer Versicherungsagentur gegen das Urteil des FG Münster vom 9.9.2016 als unbegründet zurückgewiesen.[1] Die Klägerin, eine Versicherungsagentur, hatte sich im Rahmen von Agenturverträgen gegenüber den Versicherungsgesellschaften verpflichtet, "sich mit ganzer Kraft um ... die Erhaltung bestehender Verträge zu bemühen (Bemühungspflicht)". Die Geltendmachung einer Rückstellung für Nachbetreuungspflichten lehnte das Finanzamt und ihm folgend in der Erstinstanz auch das FG Münster mangels rechtlicher oder vertraglicher Verpflichtung ab.

Das FG Münster führte aus, dass eine Rückstellung für Nachbetreuung nur dann infrage kommt, wenn

  • dem Steuerpflichtigen eine rechtliche oder vertragliche Nachbetreuungspflicht obliegt und
  • ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovision nicht nur für die Vermittlung der Versicherung, sondern auch für die weitere Betreuung der Versicherungsverhältnisse erhält.

Diesem Grundsatz schließt sich der BFH in seinem Urteil vom 25.7.2019 an. Auch bestätigt er die Aussage des FG Münster, dass Versicherungsvertreter regelmäßig keine Nachbetreuungspflichten nach § 34d der Gewerbeordnung, den Vorschriften des HGB oder des Gesetzes über den Versicherungsnachtrag treffen. Im zu verhandelnden Fall schloss das FG Münster am 9.9.2016 auch eine vertragliche Verpflichtung aus, da aus den zugrundeliegenden Vertreterverträgen keine eindeutige Vereinbarung zur Nachbetreuung von Bestandsverträgen hervorgeht. Laut dem FG Münster wird aus dem Vertragspassus zur "Bemühungspflicht" nicht deutlich, um welche Art von Nachbetreuungsleistungen es sich handelt. Eine damit lediglich "im Rahmen der Möglichkeiten" des Vertreters bestehende "Erhaltenspflicht" sah das FG Münster als zu unverbindlich und somit nicht als zivilrechtlich bindende Betreuungspflicht an und lehnte die Rückstellungsbildung ab.

Der BFH weist nunmehr in seinem Urteil darauf hin, dass die Vertragsauslegung dem FG als Tatsacheninstanz obliegt und die vom FG Münster getroffene Vertragsauslegung nicht gegen Auslegungsregeln, Denkansätze oder Erfahrungssätze verstößt. Damit ist für den BFH die Auslegung des FG Münster im Urteil vom 9.9.2016 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.[2]

7.3 Nachbetreuungsrückstellung bei kundenspezifischen Spezialwerkzeugen

Im Rahmen der Herstellung von Spezialwerkzeugen verpflichten sich Hersteller regelmäßig über einen sogenannten Werkzeugvertrag kundenspezifische Spezialwerkzeuge oder Vorrichtungen zu produzieren, mit welchen sodann die eigentlichen Serienteile für den Abnehmer hergestellt werden. Die Spezialwerkzeuge gehören zivilrechtlich zwar i. d. R. dem Auftraggeber, verbleiben aber beim Auftragnehmer, damit dieser die Bestellungen ausführen kann. Der Auftragnehmer übernimmt sodann zumeist auch die mehrjährige Aufbewahrung, Instandhaltung und auch Versicherung dieser Spezialwerkzeuge.

Vor dem Hintergrund eines solchen Produktionsvertrags eines Zulieferbetriebes, mit dem sowohl die Herstellung eines kundenspezifischen Spezialwerkzeuges als auch die anschließende Herstellung der Serienteile vereinbart war, hatte der BFH[1] über die bi...

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