Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückstellung für Nachbetreuungspflichten bei einem Versicherungsvertreter

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Verpflichtung des Vertreters, im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Kunden zu erhalten und sich mit ganzer Kraft um den regelmäßigen Zugang neuer und die Erhaltung bestehender Verträge zu bemühen, rechtfertigt die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands des Vertreters für die Nachbetreuung der Kunden nicht.

 

Normenkette

HGB § 249; BGB §§ 133, 157; HGB §§ 86, 92; EStG § 5

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.07.2019; Aktenzeichen IV R 49/16)

BFH (Urteil vom 25.07.2019; Aktenzeichen IV R 49/16)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands aufgrund einer Verpflichtung zur Nachbetreuung von Versicherungsverträgen gegeben sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EinkommensteuergesetzEStG – i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 Handelsgesetzbuch – HGB –).

Die Klägerin betreibt seit Beginn des Jahres 2003 in der Rechtsform einer offenen Handelsgesellschaft (oHG) eine Versicherungsvertretung für die C Versicherungs-AG in D-Stadt. Gesellschafter zu je 50% sind Herr E. und Herr F.. Die Gewinnermittlung erfolgt durch Bestandsvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1 EStG).

Als Versicherungsvertreter nach §§ 84 ff. HGB vermittelt die Klägerin Versicherungsprodukte und sonstige Finanzdienstleistungen für die C Versicherungs-AG sowie deren Kooperationspartner. Nach Maßgabe der Provisionsvereinbarungen hat die Klägerin im Falle des Abschlusses von Versicherungsverträgen etc. Anspruch auf Abschlussprovisionen. Für die Bestandspflege von nach dem 1.7.2000 vermittelten Lebens- und Rentenversicherungen kann ein sog. Pflegegeld nicht mehr beansprucht werden. In den mit beiden Gesellschaftern der Klägerin abgeschlossenen Vertretungsverträgen vom 12.12.2002 heißt es unter Tz. 2.1.1 „Aufgaben”) wie folgt:

„Der Vertreter ist ständig damit betraut, der vertragsschließenden Gesellschaft und den mit dieser im Rahmen der C-Gruppe in Deutschland verbundenen Gesellschaften sowie deren Kooperationspartnern (alle nachfolgend Gesellschaften genannt) Versicherungsgeschäft sowie sonstiges Finanzdienstleistungsgeschäft nach Maßgabe der vertraglichen Vereinbarungen bzw. der dem Vertreter ausgehändigten Richtlinien und Produktbeschreibungen der Gesellschaften zu vermitteln. Der Vertreter ist dabei verpflichtet, sich mit ganzer Kraft um den regelmäßigen Zugang neuer und die Erhaltung bestehender Verträge zu bemühen (Bemühungspflicht).

Um die bestehenden Verträge zu erhalten, pflegt der Vertreter im Rahmen seiner Möglichkeiten laufend Kontakt mit den Kunden, berät sie aus eigener Initiative oder auf deren Wunsch. Ziel ist es dabei immer, dass der Kunde umfassend versichert ist und bleibt, sowie sonstige Finanzdienstleistungen der Gesellschaft umfassend nutzt.

Der Vertreter nimmt stets die Interessen der Gesellschaften mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahr und weist die Gesellschaften auf drohende Gefahren hin (Interessenwahrnehmungspflicht).”

Unter Bezugnahme auf die BFH-Entscheidung vom 28.7.2004 (XI R 63/03, BStBl II 2006, 866) passivierte die Klägerin erstmals zum 31.12.2006 eine Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands aus einer Nachbetreuungsverpflichtung von Lebensversicherungsverträgen, und zwar in Höhe von 16.540 €. Bei der Rückstellungshöhe ging sie davon aus, dass die Nachbetreuung für die 827 seinerzeit im Bestand befindlichen Lebensversicherungsverträge durch eine Mitarbeiterin (Stundenlohn 10 €) zwei Stunden je Vertrag und je Jahr erfordere. Der Beklagte erkannte im Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften (Gewinnfeststellungsbescheid) für das Jahr 2006 vom 16.4.2008 die Rückstellung im Hinblick auf den seinerzeit insoweit geltenden Nichtanwendungserlass des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 28.11.2006 (BStBl I 2006, 765) nicht an.

Zum 31.12.2007 bilanzierte die Klägerin die Rückstellung in unveränderter Höhe, so dass weder bilanzieller Aufwand noch Ertrag entstand.

Im Jahresabschluss auf den 31.12.2008 erhöhte die Klägerin die streitige Rückstellung auf 24.860 € (Betreuungsaufwand für 1.243 Lebensversicherungsverträge × 2 Stunden × 10 € Stundenlohn) Die hiermit einhergehende Gewinnminderung von 8.320 € erkannte der Beklagte im Gewinnfeststellungsbescheid für das Jahr 2008 vom 17.5.2010 ebenfalls nicht an. Eine dementsprechende Abweichung von der Erklärung nahm er zudem im Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2008 vom 25.5.2010 vor.

Die Einsprüche wies der Beklagte mit Bescheiden vom 27.5.2013 (Gewinnfeststellung 2006) bzw. 28.5.2013 (Gewinnfeststellung 2008 sowie Gewerbesteuermessbetrag 2008) zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an:

Die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung wegen Erfüllungsrückstands nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB lägen nicht vor. Zwar seien derartige Rückstellungen jedenfalls dann zu bilden, wenn ein Versicherungsvertreter die Abschlussprovisio...

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