Die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten setzt eine betrieblich veranlasste, aber ungewisse Verpflichtung gegenüber einem Dritten voraus, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entstehen und zu einer Inanspruchnahme des Steuerpflichtigen führen wird und die ihre wirtschaftliche Verursachung im Zeitraum vor dem Bilanzstichtag findet. In der Literatur geht man hierbei von einer Abwägung aus: Es müssen mehr Gründe für eine Inanspruchnahme des Unternehmers sprechen als gegen eine Inanspruchnahme. Ein gewisser, bezifferbarer Prozentsatz, der erreicht werden muss, um eine ungewisse Verbindlichkeit anzunehmen, lässt sich daraus aber nicht ableiten.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen sowohl Rückstellungen wegen zivilrechtlicher Schadensersatzverpflichtungen als auch wegen öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen erst gebildet werden, wenn derjenige, der Inhaber des gegen den Steuerpflichtigen gerichteten Anspruch ist, von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hat oder eine solche Kenntniserlangung unmittelbar bevorsteht, sodass eine Inanspruchnahme wahrscheinlich ist.

Die Prüfungsanordnung des Finanzamts allein reicht nicht aus, um Rückstellungen für eventuell anfallende Mehrsteuern durch die Betriebsprüfung zu bilden.

 
Praxis-Beispiel

Während einer Betriebsprüfung wird ein Risikosachverhalt entdeckt

Die G-GmbH erhält am 10.10.05 eine Prüfungsanordnung ihres zuständigen Finanzamtes über die vorgesehene Betriebsprüfung für die Jahre 01 bis 03. Die Betriebsprüfung beginnt am 15.3.06 in den Geschäftsräumen der G-GmbH. Bereits am ersten Prüfungstag stellt der Betriebsprüfer einen Sachverhalt fest, der ein steuerliches Risiko für die GmbH darstellt. Zur Aufdeckung einer Tat kam es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Lösung: Die Prüfungsanordnung für sich rechtfertigt noch keine Bildung von Rückstellungen für Mehrsteuern, geschweige denn für ggf. noch aufzudeckende hinterzogene Steuern.

Für eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme reicht es nicht schon aus, dass es einen Gläubiger gibt; vielmehr muss dieser auch seinen Anspruch kennen. Aus dem Vorsichtsprinzip folgt lediglich, dass nicht nur die bestehende Kenntnis, sondern auch eine unmittelbar bevorstehende Kenntniserlangung des Gläubigers die Bildung einer Rückstellung rechtfertigt.

 
Hinweis

Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten

Die wesentlichen Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten können wie folgt zusammengefasst werden:

  • die Verpflichtung muss am Bilanzstichtag wirtschaftlich verursacht worden sein,
  • mit der Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit muss der Unternehmer ernsthaft rechnen,
  • es muss sich um eine sog. Außenverpflichtung handeln (also eine Verpflichtung gegenüber einem anderen oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung) und
  • die Aufwendungen dürfen in künftigen Wirtschaftsjahren nicht zu Anschaffungskosten oder Herstellungskosten für ein Wirtschaftsgut führen.

Liegen die Voraussetzungen nicht vor, erfolgt der Ausweis ggf. noch im Rahmen einer Verbindlichkeit.

Gemäß einer Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 10.3.2015 wird es seitens der Finanzverwaltung zugelassen, wenn Steuernachforderungen und Nachforderungszinsen grundsätzlich im Jahr der Entstehung als Rückstellung passiviert werden. Dies gilt jedoch ausdrücklich nicht für Steuern aus hinterzogenen Steuern.[1]

Die Bildung von Rückstellungen für Steuernachforderungen aufgrund einer Außenprüfung, die nicht auf einer Steuerhinterziehung basieren, dürfen nach den Urteilen der Finanzgerichte Düsseldorf und Münster nicht bereits im Jahr der wirtschaftlichen Verursachung gebildet werden, sondern erst im Jahr der "Entdeckung".[2]

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