1 Grundlegendes zu Rücklagen

1.1 Begriff und Arten

 

Rz. 1

Betriebswirtschaftlich sind zu unterscheiden offene Rücklagen und stille Rücklagen. Quellen offener Rücklagen sind einbehaltene Gewinne (Gewinnrücklagen = capital surplus) oder Einlagen von Gesellschaftern bzw. Dritten für Gesellschafter (Kapitalrücklagen = capital surplus). Im Gegensatz hierzu sind stille Rücklagen – auch stille Reserven genannt – aus dem Jahresabschluss nicht erkennbar. Sie entstehen z. B. entweder durch (zulässige) Unterbewertung von Aktiva oder (zulässige) Überbewertung von Passiva.

1.2 Ausweis von Rücklagen als Bestandteile des Eigenkapitals

 

Rz. 2

Der Gesetzgeber folgt der Haupteinteilung der Rücklagenarten in Kapital- und Gewinnrücklagen; nach § 266 Abs. 3 A HGB ist das Eigenkapital bilanziell wie folgt auszuweisen (auf der Passivseite):

A.

Eigenkapital

I. Gezeichnetes Kapital
II. Kapitalrücklage
III. Gewinnrücklagen
IV. Gewinnvortrag/Verlustvortrag
V. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag

Rücklagen sind also Unterpositionen (Bestandteile) des Eigenkapitals. Ihr Inhalt bestimmt sich nach den Vorschriften in § 272 Abs. 24 HGB.

 

Rz. 3

Zu diesen HGB-Vorschriften gibt es ergänzende Vorschriften für bestimmte Rechtsformen.

Für die AG, die KGaA und die Europäische Gesellschaft (SE)[1] sind die Vorschriften des AktG zu beachten. Nach § 152 Abs. 2 AktG sind in der Bilanz oder im Anhang gesondert die während des Geschäftsjahres in Kapitalrücklagen eingestellten oder entnommenen Beträge anzugeben. Für die Bildung von Gewinnrücklagen sind §§ 58 Abs. 13, 150 Abs. 1 und 2, 300, 324 AktG zu berücksichtigen, für die Auflösung von Gewinnrücklagen §§ 150 Abs. 3 und 4, 301 Satz 2, 302 Abs. 1 und 324 AktG.

Darüber hinaus ist nach § 218 Satz 2 AktG für den Unterschied zwischen dem Ausgabebetrag einer Wandelschuldverschreibung und dem höheren geringsten Ausgabebetrag der für sie im Rahmen eines bedingten Kapitals zu gewährenden Bezugsaktien insgesamt eine Sonderrücklage zu bilden, soweit nicht Zuzahlungen der Umtauschberechtigten vereinbart sind.

[1] Für die SE gelten keine eigenen Rechnungslegungsvorschriften. Nach Art. 61 der Verordnung (EG) über das Statut der SE unterliegt die SE hinsichtlich der Aufstellung ihres Abschlusses (einschließlich des dazugehörigen Lageberichtes sowie der Prüfung und der Offenlegung) den Vorschriften, die für das Recht des Sitzstaates der SE unterliegende AG gelten.

2 Offene Rücklagen nach HGB

2.1 Kapitalrücklage

2.1.1 Aufgliederung der Kapitalrücklage

 

Rz. 4

Nach § 272 Abs. 2 HGB sind als Kapitalrücklage auszuweisen:

  1. der Betrag, der bei der Angabe von Anteilen einschließlich von Bezugsanteilen über den Nennbetrag oder, falls ein Nennbetrag nicht vorhanden ist, über den rechnerischen Wert hinaus erzielt wird;
  2. der Betrag, der bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt wird;
  3. der Betrag von Zuzahlungen, die Gesellschafter gegen Gewährung eines Vorzugs für ihre Anteile leisten;
  4. der Betrag von anderen Zuzahlungen, die Gesellschafter in das Eigenkapital leisten.
 

Rz. 5

Besonderheiten, d. h. Erweiterungen vorstehender Gliederung, ergeben sich aus dem GmbHG:

5. In Höhe der eingeforderten Nachschüsse ist gemäß § 42 Abs. 2 Satz 3 GmbHG auf der Passivseite eine Rücklage für eingeforderte Nachschüsse (in gleicher Höhe) auszuweisen.
6. Für Unternehmergesellschaften (UG) (haftungsbeschränkt) schreibt § 5a Abs. 3 GmbHG den gesonderten Ausweis einer gesetzlichen Rücklage vor.
 

Rz. 6

Andere Zuzahlungen i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB sind solche Leistungen eines Gesellschafters in das Eigenkapital, die nicht den Leistungen i. S. v. § 272 Abs. 2 Nrn. 1–3 HGB zuzurechnen sind.[1] Aber nicht jede Zuzahlung geht in die Kapitalrücklage ein; abzustellen ist auf den Zweck der Zuzahlung. Zuzahlungen, die in das Eigenkapital geleistet werden, sind erfolgsneutral zu bilanzieren. Zuzahlungen eines Gesellschafters zur Abdeckung eines Jahresfehlbetrages oder zum Ausgleich eines Bilanzverlustes dagegen sind erfolgswirksam als außerordentlicher Ertrag und nicht als Zuzahlung in das Eigenkapital zu erfassen. Fehlt eine ausdrückliche Zwecksetzung, ist davon auszugehen, dass die Zuzahlung in das Eigenkapital geleistet worden ist.[2]

Für den Ausweis als Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB ist es von Bedeutung, dass auf der Ebene der Gesellschaft eine Vermögensmehrung vorliegt. So können auch Beträge, die im "Schütt aus, hol zurück"-Verfahren von dem Gesellschafter an die Gesellschaft zurückfließen, ohne dass eine formale Kapitalerhöhung vorliegt, zu den anderen Zahlungen i. S. v. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB gehören.[3]

[1] Hierzu zählen auch Zahlungen Dritter namens und im Auftrag (für Rechnung) des Gesellschafters.
[2] Seidler, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl. 2021, § 272 HGB Rz. 148.
[3] Seidler, in Bertram/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, 12. Aufl. 2021, § 272 HGB Rz. 149 i. V. m. Fn. 158; unter Berufung auf Orth, GmbHR 1987, S. 198.

2.1.2 Einstellung in die Kapitalrücklage

 

Rz. 7

Einstellungen in die Kapitalrücklage sind gemäß § 270 Abs. 1 HGB bereits bei der Aufstellung der Bilanz vorzunehmen; zuständig ist also der Vorstand/die Geschäftsführung, nicht die Hauptversammlung/Gesellschafterver...

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