Think mobile first

Das Prinzip "think mobile first" ist seit einigen Jahren in aller Munde: Bei der Konzeption einer Lösung werden zunächst Mobilgeräte mit kleinem Display bedacht. Erst im nächsten Schritt – mit sog. "Progressive Enhancement" – entsteht stufenweise das Konzept für Geräte mit mehr Bildschirmplatz. Generell gibt es eine Übereinkunft darüber, dass dieses Vorgehen der sog. "Graceful Degradation" vorzuziehen ist. Diese macht von der Desktop-Anwendung Abstriche, um zur Gestaltung der Mobilanwendung zu gelangen.

Häufig denkt man bei "Mobile First" vor allem an die Größe der Bildschirme. Mindestens genauso wichtig ist es aber, die mobilen Kontexte zu bedenken.

Szenarien effizient nutzen

Storytelling ist dafür eine sehr effiziente Methode – und prima geeignet für interdisziplinäres Arbeiten. Geschichten erzählen kann jeder, es geht schnell, die Szenarien können ohne großen Aufwand mit Nutzern auf Realitätsnähe und Relevanz geprüft werden. Ein weiteres Plus: Auch während des Entwicklungsprozesses helfen die zu Beginn generierten Szenarien, die eingeschlagene Richtung zu halten und zu validieren.

Da Szenarien für nahezu alle Fragestellungen im Projektablauf verwendet werden können, treten sie in vielen "Geschmacksrichtungen" auf. "Problem-Szenarien"[1] werden verwendet, um aus dem User Research generierte Sequenzen für das ganze Team greifbar zu machen. Als Brücke zum Design bietet sich das "Context Scenario"[2] oder "Activity Scenario"[3] an. Darin wird modelliert, wie Nutzer ihre Aufgaben mithilfe der zukünftigen Lösung bewältigen.

[1] Rosson/Carroll, 2002.
[2] Cooper/Reimann, 2003.
[3] Rosson/Carroll, 2002.

4.1 Beispiel-Szenario

Dieses beispielhafte Szenario erzählt die Geschichte von Controllerin Mara, die das Board Meeting vorbereitet:

Abb. 4: Beispielhaftes Szenario der zukünftigen Nutzung

  1. Schon Monate vor diesem Meeting hat Mara ein Set von Berichten zusammengestellt, das sie für alle Board Meetings benötigt.
  2. Diese Mappe – gefüllt mit den Zahlen des aktuellen Quartals – lädt sie eine Woche vor dem Termin auf ihr Tablet. Auf ihrem Heimweg im Zug möchte sie alles noch einmal in Ruhe prüfen, bevor sie die Handouts bereitstellt.
  3. Im Zug fällt ihr ein ungewöhnlicher Knick in den Verkaufszahlen auf – sie vermutet einen Personalengpass in einer der Regionen und ist sich sicher, dass sie im Board Meeting eine Erklärung dafür liefern sollten.
  4. Sie sendet ihrer Managerin den Report, in dem sie die Stellen mit dem ungewöhnlichen Verlauf der Grafik farblich markiert hat. Sie fügt eine Notiz hinzu, in der sie ihre Managerin um ein kurzes Gespräch bittet, um zu klären, wie diese den Ausreißer im Board Meeting kommunizieren möchte.
  5. Ihre Managerin liest die Nachricht auf ihrem Smartphone und sendet gleich einen Gesprächstermin für den nächsten Tag zurück.
  6. Mara schlägt vor, einen weiteren Bericht hinzuzufügen, der den Grund für die Abweichung verdeutlicht. Sie wählen den Absatzbericht nach Regionen, in dem man deutlich sieht, dass der Knick aus einer der Regionen resultiert. Diesen ergänzen sie um eine Gegenüberstellung des Absatzes für die problematische Region mit ihrer Ressourcenplanung für diesen Zeitraum. Deutlich kann man eine Senke in diesem Abschnitt erkennen.
  7. Mara fügt die beiden Berichte zur Mappe hinzu.
  8. Sie sendet ihrer Managerin den Link zu den finalen Meeting-Unterlagen und exportiert eine PDF, die für die Teilnehmer als Handout gedruckt wird.
  9. Während Mara im Meeting an ihrem Notebook direkt die Entscheidungen der Runde im System festhält, präsentiert ihre Managerin mit ihrem Tablet die Berichtsmappe.
 
Praxis-Tipp

Effektiver arbeiten mit Szenarien

  • Befreien Sie sich davon, wie die Interaktion am Desktop oder im Back End augenblicklich abläuft oder welche Features Sie unbedingt realisieren möchten.
  • Ihre Szenarien sollen "magisch" funktionieren; verschwenden Sie noch keinen Gedanken an die Machbarkeit der Lösung.
  • Denken Sie dabei über das Erstellen einer App hinaus und erfassen Sie die ganze Geschichte.
  • Versuchen Sie nicht, in einem Szenario alle Aspekte abzudecken, sondern erzählen Sie mehrere Geschichten rund um die Nutzung Ihrer zukünftigen Lösung.
  • Arbeiten Sie in einem interdisziplinären Team, prüfen Sie, ob Sie Nutzer in den Prozess einbeziehen können.

4.2 Reporting-Szenarien, die heute interessant und morgen alltäglich sind

In der Großrechnerzeit hätten sich zeitgemäße Szenarien um mehrere Menschen gerankt, die ein Gerät bedienten. Bildschirme waren noch nicht Dreh- und Angelpunkt der Interaktion und asynchrone Interaktion war nicht ungewöhnlich. In den darauffolgenden Jahren erzählte man Geschichten von Nutzern in Interaktion mit einem PC, die Szenarien kreisten um die Eins-zu-eins-Beziehung.

Multiscreen- und Internet-of-Things-Szenarien

Heute interagieren die Protagonisten unserer Szenarien häufig mit mehreren Geräten und Bildschirmen, zum Teil simultan. Die Interaktion bleibt nicht beschränkt auf Geräte mit Bildschirm: Sensoren und Aktoren rücken immer mehr in unser Blickfeld. Unsere Szenarien enthalten also auch Geschichten von vermittelter oder impliziter Interaktion und nicht mehr jede Interaktion ...

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