Transitorische Abgrenzungen sind nach § 250 HGB zwingend zu buchen, wenn es im aktuellen Wirtschaftsjahr zu Ausgaben oder Einnahmen aus einem gegenseitigen Vertrag oder aufgrund von öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen (z. B. Kfz-Steuer) kommt, die Erträge oder Aufwendungen für einen bestimmten Zeitraum nach dem Bilanzstichtag darstellen.

Die Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens setzt danach einen Zahlungsvorgang vor dem Bilanzstichtag voraus, d. h.

  • eine Veränderung des Bestands von Bank oder Kasse,
  • die Herausgabe oder Annahme von Schecks oder Wechseln,
  • die Entstehung von Forderungen oder Verbindlichkeiten.

Gleichzeitig wurde die zu erbringende zeitraumbezogene Leistung bis zum Bilanzstichtag noch nicht bzw. nicht vollständig geleistet. Im Umfang der ausstehenden zeitraumbezogenen Leistung ist ein Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Die bestimmte Zeit, d. h. Anfang und Ende, muss eindeutig aus dem Sachverhalt ableitbar sein.

Die Auflösung eines Rechnungsabgrenzungspostens im Folgejahr erfolgt in Höhe der zeitanteilig erbrachten Gegenleistung. Rechnungsabgrenzungen können sich auch über mehrere Geschäftsjahre erstrecken.

Grundsätzlich besteht für Rechnungsabgrenzungsposten eine Bilanzierungspflicht. Bei unwesentlichen Beträgen darf unter Berufung auf den Grundsatz der Wesentlichkeit in der Handelsbilanz auf eine Bildung verzichtet werden.[1]

Ab wann eine Geringfügigkeit bzw. Unwesentlichkeit vorliegt, kann handelsrechtlich nur im Einzelfall bestimmt werden und ist nicht allgemein betragsmäßig bestimmt.

In der Steuerbilanz kann nach § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG der Ansatz eines aktiven oder passiven Rechnungsabgrenzungspostens unterbleiben, wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme die Wesentlichkeitsgrenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter des § 6 Absatz 2 Satz 1 EStG i. H. v. aktuell 800 EUR nicht übersteigt. Das Wahlrecht (zum Nicht-Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens) ist einheitlich für alle Ausgaben und Einnahmen auszuüben. Diese durch das Jahressteuergesetz (JStG) 2022 neu eingefügte Wesentlichkeitsgrenze gilt nach § 52 Abs. 9 EStG für alle Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2021 enden. Das Wahlrecht kann unabhängig von der bilanziellen Behandlung in der Handelsbilanz ausgeübt werden, da kein Übereinstimmungsvorbehalt – wie im Fall der Bestimmung der Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1b Satz 2 EStG – besteht.[2]

Die handelsrechtliche Regelung in § 250 HGB wurde durch das Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) nicht verändert. Dennoch kann sich indirekt eine Auswirkung auf die Handelsbilanz ergeben. Denn mittel- bis langfristig "könnte die Einführung einer steuerrechtlichen Wesentlichkeitsgrenze für die RAP-Bildung allerdings dazu führen, dass der steuerliche Grenzwert im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Auslegung des Grundsatzes der Wesentlichkeit herangezogen wird."[3]

 
Hinweis

Vor der Neuregelung durch das JStG 2022 hatte der BFH die Erfassung auch unwesentlicher RAP in der Steuerbilanz gefordert

Der Regelungsinhalt des JStG 2022 ist auch eine Reaktion des Gesetzgebers auf das BFH-Urteil vom 16.3.2021, wonach aktive Rechnungsabgrenzungsposten auch bei geringfügigen Beträgen zu bilden waren. Denn weder aus dem Grundsatz der Wesentlichkeit noch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ließe sich nach Auffassung des BFH eine Einschränkung der Pflicht zur Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten auf wesentliche Fälle ableiten. Im Ergebnis forderte der BFH aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Grundlage für eine Wesentlichkeitsbetrachtung die bilanzielle Erfassung auch unwesentlicher Rechnungsabgrenzungsbeträge.[4] Die fehlende gesetzliche Regelung für die Anwendung des Wesentlichkeitsgrundsatzes hat der Gesetzgeber nun geschaffen.

Im Beschluss v. 18.3.2010 hatte der BFH noch zugelassen, dass für geringfügige Beträge Rechnungsabgrenzungsposten (wahlweise) entfallen können.[5] Daran hielt der BFH mit der Entscheidung vom 16.3.2021 nicht mehr fest.[6]

 
Hinweis

So unterscheiden Sie Anzahlungen und Rechnungsabgrenzungen

Anzahlungen und Rechnungsabgrenzungen sind nicht immer einfach zu unterscheiden. Grundsätzlich beziehen sich Rechnungsabgrenzungen i. d. R. auf Dauersachverhalte und Anzahlungen auf einmalige Vorgänge.[7] Anzahlungen fallen nicht unter § 250 HGB.

[1] Vgl. WP-Handbuch, Kapitel F, 16. Aufl., Rz. 440.
[2] Vgl. Bundesrat, Drucksache 457/22 (Beschluss) vom 28.10.2022, S. 5.
[3] Bundesrat, Drucksache 457/22 (Beschluss) vom 28.10.2022, S. 5.
[4] Vgl. BFH, Urteil v. 16.3.2021, X R 34/19, veröffentlicht am 9.9.2021.
[5] Vgl. BFH, Beschluss v. 18.3.2010, X B 20/09.
[6] Vgl. BFH, Urteil v. 16.3.2021, X R 34/19, veröffentlicht am 9.9.2021, Rz. 25.
[7] Vgl. hierzu Bertram, in Bertram/Brinkmann/Kessler/Müller, Haufe HGB Bilanz Kommentar, § 250 HGB Rz. 2, Stand: 23.05.2022.

4.1 Aktive Rechnungsabgrenzungsposten

Soweit Ausgaben vor dem Bilanzstichtag entstehen, die Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Abschlussstichtag darstellen, ist ein aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu bilden. Bei aktiven Rechnungsabgrenzungspos...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge