Rz. 102

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG ist nur die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehbar. Ein Vorsteuerabzug ist damit nicht zulässig, soweit der die Rechnung ausstellende Unternehmer die Steuer nach § 14 c UStG schuldet. Abziehbar sind nur die Steuerbeträge, die nach dem deutschen UStG geschuldet werden.[2]

 

Rz. 103

Unternehmer, die mit ausländischen Vorsteuerbeträgen belastet wurden, haben sich wegen eines eventuellen Abzugs an den Staat zu wenden, der die Steuer erhoben hat. Die EU-Mitgliedstaaten vergüten nach Maßgabe der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12.2.2008[3] den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmern die Vorsteuern in einem besonderen Verfahren und haben hierfür zentrale Erstattungsbehörden bestimmt. In Deutschland sind Anträge auf Vergütung der Vorsteuerbeträge in den EU-Mitgliedsstaaten elektronisch zentral über das BZSt-Online-Portal einzureichen.[4]

Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aus Lieferungen und sonstigen Leistungen ist nur unter folgenden Voraussetzungen gegeben:[5]

  • Die Steuer muss für eine Lieferung oder sonstige Leistung gesondert in Rechnung gestellt worden sein.
  • Die Lieferung oder sonstige Leistung muss von einem Unternehmer ausgeführt worden sein.
  • Der Leistungsempfänger muss Unternehmer und die Lieferung oder sonstige Leistung für sein Unternehmen ausgeführt worden sein.
  • Der Leistungsempfänger ist im Besitz einer nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung, in der die Angaben vollständig und richtig sind. Wegen der Ausnahmen hiervon vgl. Abschn. 15.2a Abs. 1a UStAE[6]. Danach kann der Unternehmer das Recht auf Vorsteuerabzug ausnahmsweise geltend machen, wenn er im Besitz einer Rechnung ist, die nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt. Das ist dann möglich, wenn die Finanzverwaltung über sämtliche Angaben verfügt, die für eine Überprüfung der materiellen Voraussetzungen (vgl. EuGH, Urteil v. 15.9.2016, C-516/14, Barlis 06) notwendig sind. Der Unternehmer kann der Finanzverwaltung durch objektive Nachweise belegen, dass ihm andere Unternehmer auf einer vorausgehenden Umsatzstufe tatsächlich Gegenstände oder Dienstleistungen geliefert bzw. erbracht haben, die seinen der Mehrwertsteuer unterliegenden Umsätzen dienten und für die er die Umsatzsteuer tatsächlich entrichtet hat. Die Finanzverwaltung hat damit auf das o. g. EuGH-Urteil in der Rechtssache Barlis 06 reagiert, wonach entschieden wurde, dass das Recht auf Vorsteuerabzug nicht alleine deshalb verweigert werden kann, weil die Rechnung, die der Steuerpflichtige besitzt, nicht alle formellen Voraussetzungen erfüllt, obwohl die Finanzbehörde über alle notwendigen Informationen verfügt, um zu prüfen, ob die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug vorliegen. Aus dieser Rechtssprechung ist jedoch nicht abzuleiten, dass ein Vorsteuerabzug gänzlich ohne Rechnung gemacht werden kann. Die tatsächliche Entrichtung der Steuer kann nur über eine Rechnung oder deren Kopie mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer nachgewiesen werden, da ohne diesen Nachweis Zweifel verbleiben, ob und in welcher Höhe die Steuer in dem Zahlbetrag enthalten ist und damit, ob die Steuer tatsächlich zu entrichtet worden ist. Entscheidend ist, dass die vorgelegten Beweismittel eine leichte und zweifelsfreie Feststellung der Voraussetzungen durch die Finanzbehörden ermöglichen, andernfalls ist die Kontrollfunktion nicht erfüllt. Der Leistungszeitpunkt kann sich im Einzelfall aus dem Rechnungsdatum ergeben, wenn keine Zweifel bestehen, dass die Leistung in dem Monat der Rechnungsstellung ausgeführt wurde. Solche Zweifel bestehen insbesondere, wenn das Zusammenfallen von Rechnungs- und Leistungsdatum nicht branchenüblich ist, der Rechnungsaussteller eine zeitnahe Abrechnung nicht regelmäßig durchführt oder bei der konkreten Leistung sonstige Zweifel am Zusammenfallen der Daten bestehen.[7] Es besteht keine Pflicht der Finanzbehörden, fehlende Informationen selbst von Amts wegen zu ermitteln. Zweifel und Unklarkeiten wirken zu Lasten des Unternehmers.[8] Wurde der objektive Nachweis einzelner materieller Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug ohne ordnungsmäßige (berichtigte) Rechnung erbracht, so ist der Vorsteuerabzug erst zu dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Leistung bezogen wurde und eine Rechnung mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer vorlag.
 

Rz. 104

Diese Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach Abschn. 15.2 Abs. 2 UStAE müssen grundsätzlich insgesamt erfüllt werden. Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug begehrt, trägt die Feststellungslast für die Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen. Hat ein Unternehmer alle Maßnahmen getroffen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug (z. B. eine Umsatzsteuerhinterziehung oder ein sonstiger Betrug) einbezogen sind, kann er auf die Rechtmäßigkeit diese...

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