BMF, 26.2.2004, IV B 4 - S 1300 - 12/04

Der BFH hat mit Urteil vom 17.10.2001, l R 103/00 (BStBl 2004 II S. 171) u.a. Folgendes entschieden:

1. Im Fall der Verletzung von Mitwirkungspflichten im Sinne des § 90 Abs. 2 AO sei danach zu unterscheiden, ob sich die Pflicht auf eine Tatbestandsvoraussetzung oder auf die Rechtsfolge eines Besteuerungstatbestandes beziehe. Beziehe sie sich auf eine Tatbestandsvoraussetzung, so löse die Pflichtverletzung eine Reduzierung des Beweismaßes für die jeweils aufzuklärende Tatbestandsvoraussetzung aus. Beziehe sie sich auf eine Rechtsfolge, so rechtfertige sie regelmäßig die Schätzung der Besteuerungsgrundlage.

2. Aus der Weigerung einer inländischen Tochtergesellschaft, Auskunft darüber zu geben, wie die mit ihrer ausländischen Muttergesellschaft vereinbarten Preise zustande gekommen seien, könne nur gefolgert werden, dass die vereinbarten Preise durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst seien. Die vereinbarten Preise könnten dennoch angemessen sein. Für die Ermittlung des angemessenen Fremdvergleichspreises trage die Finanzbehörde die objektive Beweislast.

3. Die Ermittlung des Fremdvergleichspreises einer Vertriebsgesellschaft könne nicht auf die Wiederverkaufspreismethode gestützt werden, wenn nur auf die Einkäufe von drei unverbundenen Produzenten zurückgegriffen werden könne, die entsprechenden Einkäufe sich nicht auf alle Streitjahre erstreckten und die Einkäufe nur zu höchstens 5 % des Gesamtumsatzes der Vertriebsgesellschaft führten.

Unter Bezugnahme auf die Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt Folgendes:

Zu 1

Die erhöhten Mitwirkungspflichten des § 90 Abs. 2 AO beziehen sich, wenn verdeckte Gewinnausschüttungen einer inländischen Tochtergesellschaft an ihre ausländische Muttergesellschaft in Frage stehen, auf die Aufklärung des gesamten steuerlich relevanten Sachverhalts. Sie sollen der Finanzbehörde die Feststellung ermöglichen, ob die Tatbestandsmerkmale der verdeckten Gewinnausschüttung erfüllt sind.

Die im Urteil des BFH vorgenommene Differenzierung zwischen Mitwirkungspflichten, die sich auf die Voraussetzungen der verdeckten Gewinnausschüttung beziehen, und solchen, die sich auf Rechtsfolgen beziehen, ist nicht nachvollziehbar und findet im Gesetz keine Grundlage. Über die Rechtsfolgen befindet die Finanzbehörde ohne Mitwirkung des Steuerpflichtigen.

Zu 2

Verletzt eine inländische Tochtergesellschaft ihre erhöhten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO, gelten bei der Prüfung der Angemessenheit von Preisen, die mit der ausländischen Muttergesellschaft vereinbart wurden, die nachstehenden allgemeinen Grundsätze:

a) Die Tochtergesellschaft ist zivilrechtlich nicht dazu verpflichtet, bei Verträgen mit ihrer Muttergesellschaft dem Fremdvergleich entsprechende Preise zu vereinbaren, da insoweit Vertragsfreiheit gilt. Vereinbart sie Preise, die dem Fremdvergleich nicht entsprechen, hat sie dies wegen des steuerlich geltenden Fremdvergleichsgrundsatzes (siehe §§ 1 AStG und 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) in ihren Steuererklärungen zu berücksichtigen, da Angaben in Steuererklärungen nach § 150 Abs. 2 Satz 1 AO wahrheitsgemäß nach bestem Wissen und Gewissen zu machen sind. Verstöße können im Einzelfall gemäß §§ 369 ff. AO straf- und bußgeldrechtliche Folgen nach sich ziehen. Ungeachtet dessen trifft die Tochtergesellschaft nicht die Beweislast dafür, tatsächlich den im Fremdvergleich angemessenen Preis angesetzt zu haben.

b) Verweigert die Tochtergesellschaft pflichtwidrig Auskünfte über preisbildende Faktoren (Sachverhalt), z.B. über Art und Beschaffenheit von eingekauften Produkten, Markt- und Konkurrenzsituation, und kann die Finanzbehörde den zutreffenden Preis deshalb nicht ermitteln, ist eine Schätzung nach § 162 Abs. 2 AO durchzuführen. Beziehen sich die Mitwirkungspflichten nämlich auf Tatsachen und Beweismittel aus dem alleinigen Verantwortungsbereich des Steuerpflichtigen, können aus seiner Pflichtverletzung für ihn nachteilige Schlussfolgerungen gezogen werden. Bei einer Schätzung nach § 162 Abs. 2 AO sind die Ermittlungspflichten der Finanzbehörde hinsichtlich steuerbegründender oder steuererhöhender Umstände vermindert (gemindertes Beweismaß); eine vom Steuerpflichtigen zu vertretende Beweisnot darf sich nicht zu seinen Gunsten auswirken (BFH-Urteil vom 15.2.1989, BStBl 1989 II S. 462 zum „Beweisverderber”). Es kann ein Sachverhalt zu Grunde gelegt werden, für den ein geringerer Grad an Sicherheit besteht, als üblicherweise zu fordern ist (BFH-Urteil vorn 1.2.1967, BStBl 1967 III S. 495). Bei groben Verstößen des Steuerpflichtigen, die erhebliche Änderungen gegenüber dem der Steuererklärung zu Grunde Gelegten notwendig machen, ist die Finanzbehörde im Allgemeinen nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die Besteuerungsgrundlagen nach dem für den Steuerpflichtigen ungünstigsten, aber noch möglichen Sachverhalt festzustellen (BFH-Urteil vom 9.3.1967, BStBl 1967 III S. 349). Strafschätzungen sind allerdings unzulässig (BFH-Urteil vom 20.12.2000,...

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