Rz. 3

Prinzipiell zielen die Reformbestrebungen in den Bereichen Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung vor dem Hintergrund einer zunehmenden Globalisierung der unternehmerischen Tätigkeiten darauf ab, zum Zwecke der Vergleichbarkeit und der Sicherheit der mit den Instrumenten der Rechnungslegung übermittelten Informationen international einheitliche und anerkannte Rechnungs- und Prüfungsgrundsätze zu schaffen. Dieser Harmonisierungsprozess wurde durch die zahlreichen Wirtschafts- und Bilanzskandale in jüngerer Zeit noch beschleunigt und soll im Kern zur Stärkung des Anlegervertrauens in die Richtigkeit von Unternehmensinformationen sowie zur Stabilität der Kapitalmärkte beitragen. Vor dem Hintergrund der mit diesen Umbruchprozessen verbundenen Transformationsdynamik internationaler Standardsetter, des Gesetzgebers, der Berufsverbände und/oder der Aufsichtsbehörden in verbindliche Rechnungslegungs- und Überwachungsvorschriften fällt es allen Betroffenen schwer, den Überblick zu behalten bzw. sich auf neue Anforderungen einzustellen.

 

Rz. 4

Der deutsche Gesetzgeber hat bereits seit 1998 mit Gesetzesänderungen, die vielfach durch Richtlinien und Verordnungen der EU ausgelöst wurden, auf den Harmonisierungsbedarf von Rechnungslegungs- und Prüfungsvorschriften reagiert. Vor allem die auch international geforderte Verringerung der Erwartungslücke (Expectation Gap) zwischen dem Informationsbedürfnis der Adressatengruppen des Prüfungsergebnisses bezüglich der Ordnungs- und Gesetzmäßigkeit der Rechnungslegungsobjekte (z. B. Anteilseigner, Investoren, Gläubiger, Kunden, Arbeitnehmer, Öffentlichkeit) einerseits und den Aufgaben der Überwachungsträger (Management, Aufsichtsrat, Wirtschaftsprüfer) andererseits hat in jüngerer Zeit zu einer erheblichen Verschärfung der handelsrechtlichen Prüfungsvorschriften geführt.

 

Rz. 5

Infolge der im Rahmen des Wirecard-Skandals vorgenommenen Bilanzfälschungen wurde durch das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) vom 3.6.2021 eine grundlegende Reform des nationalen unternehmerischen Überwachungssystems vorgenommen, die sich primär auf die Abschlussprüfung, die öffentlich-rechtliche Bilanzkontrolle, den Bilanzeid, das Bilanzstrafrecht, das Interne Kontrollsystem und die verpflichtende Errichtung eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat bestimmter Unternehmen bezieht. Insbesondere zielen die umfangreichen gesetzlichen Novellierungen durch das in Rede stehende Artikelgesetz darauf ab, das Vertrauen in den deutschen Kapitalmarkt wiederherzustellen und zu stärken. Das FISG ist zum 1.7.2021/1.1.2022 in Kraft getreten.[1]

Als Ausfluss der jüngeren "europäischen Internationalisierung" des Prüfungswesens sind vor allem die Änderung der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) und des Handelsgesetzbuches (HGB) durch das Abschlussprüferaufsichtsreformgesetz (APAReG) vom 31.3.2016 und das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) vom 10.5.2016 zu nennen. Beide Artikelgesetze transformieren die Änderung der Richtlinie 2006/43/EU über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen vom 16.4.2014 (sog. Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EU) und die EU-Verordnung Nr. 537/2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse vom 16.4.2014 in deutsches Recht.[2] Während sich im APAReG vor allem Neuerungen zu aufsichts- und berufsrechtlichen Regelungen finden, beinhaltet das AReG primär die Einführung der externen Rotation und des Joint Audit sowie spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung von Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entities). Dieser neue Unternehmenstyp umfasst neben kapitalmarktorientierten Unternehmen nach § 264d HGB alle Banken und Versicherungen mit Ausnahme von Sparkassen und Genossenschaften. Aus den Novellierungen folgt, dass künftig bezüglich der Prüfung des Jahresabschlusses 2 Regelwerke gleichzeitig nebeneinander zu beachten sind.[3] Zum einen gelten für alle prüfungspflichtigen Unternehmen die im Handelsgesetzbuch in § 316 HGB bis § 324a HGB kodifizierten (General-)Normen. Darüber hinaus sind von Unternehmen im öffentlichen Interesse die in der EU-Verordnung Nr. 537/2014 vom 16.4.2014 und in der Abschlussprüferrichtlinie 2006/43/EU niedergelegten (Spezial-)Normen zu beachten, die im Rahmen des Abschlussprüferreformgesetzes (AReG) vom 10.5.2016 und des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes v. 3.6.2021/1.1.2022 in nationales Recht umgesetzt wurden[4] und auf alle Geschäftsjahre anzuwenden sind, die nach dem 17.6.2016 beginnen. Im Folgenden wird zunächst auf die für alle prüfungspflichtigen Unternehmen wichtigen Prüfungsvorschriften eingegangen. Die nur für Unternehmen im öffentlichen Interesse bezüglich der Prüfung des Jahresabschlusses geltenden Regelungen werden sodann im letzten Kapital dargelegt (Rz. 202).

 

Rz. 6

Darüber hinaus sind das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) als Vertreter des Berufsstandes und die Wirtschaftsprüferkammer (WPK) als Aufsichtsorgan des deutschen Berufsstandes ständ...

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