Kommentar

Gegenstand des Verfahrens war die Frage nach dem Ort der Dienstleistung (sonstige Leistung) im Sinne des Artikels 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie, wenn ein Leasing-Geber mit Sitz in einem Mitgliedstaat Leasing-Verträge über die Überlassung von Pkw mit Unternehmern oder Privatpersonen in einem anderen Mitgliedstaat abschließt.

Die Klägerin, eine Leasing-Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, hatte Leasing-Verträge über 6.000 Pkw in den Niederlanden und 800 Pkw in Belgien abgeschlossen. Die in Belgien geleasten Pkw wurden auch bei dort ansässigen Lieferanten eingekauft. Reparaturen und Hilfeleistungen in Folge von Schäden an den Pkw gingen auf Rechnung der Leasing-Gesellschaft, die als Eigentümerin der Pkw dafür eine Versicherung abgeschlossen hatte.

Soweit die Klägerin die Pkw in Belgien verleaste, zahlte sie in der Vergangenheit stets niederländische Umsatzsteuer, da sie den Ort der Dienstleistung an Artikel 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie – Sitz des leistenden Unternehmers – anknüpfte. Seit dem 1. Januar 1993 stand die belgische Steuerverwaltung auf dem Standpunkt, der Ort der Dienstleistungen liege in Belgien, weil die Gesellschaft aufgrund der Vermietung der Pkw in Belgien eine feste Niederlassung besitze, von der aus sie die Autos für das Leasing einsetze.

Die niederländische Steuerverwaltung vertrat nach wie vor die Auffassung, von einer festen Niederlassung in Belgien könne keine Rede sein, weil die Gesellschaft in Belgien weder über Personal- noch über Sachmittel zum Abschluß von Leasing-Verträgen verfüge. Die Pkw selbst seien keine Sachmittel, sondern Teil der erbrachten Dienstleistung.

Die Parteien stritten also nicht über die Anwendbarkeit des Artikels 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie an sich. Streitig war lediglich, ob sich der Ort der Dienstleistung nach dem Sitz der Gesellschaft in den Niederlanden oder nach einer etwaigen festen Niederlassung in Belgien bestimmte.

Nach dem Urteil hat die Klägerin in Belgien keine feste Niederlassung, da sie dort weder über ein Büro noch über Stellplätze für die Fahrzeuge verfüge. Die Entscheidung setzt die bisherige Rechtsprechung des EuGH zum Ort der Dienstleistung im Sinne des Artikels 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie konsequent fort. Bereits mit Urteil vom 4.7.1985 in der Rechtssache 168/84 hatte der EuGH entschieden, daß eine Einrichtung für eine gewerbliche Betätigung, wie der Betrieb von Geldspielautomaten auf einem außerhalb des Inlands auf der hohen See verkehrenden Schiffes, nur dann als feste Niederlassung im Sinne von Artikel 9 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie angesehen werden kann, wenn diese Niederlassung ein ständiges Zusammenwirken von persönlichen und Sachmitteln voraussetzt, die für die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen erforderlich sind, und wenn es nicht zweckdienlich ist, diese Dienstleistungen dem Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Dienstleistenden zuzuordnen, z.B. weil daraus ein Besteuerungskonflikt zwischen zwei Mitgliedstaaten entsteht.

Als weiteres Kriterium für eine feste Niederlassung verlangt der EuGH nun einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur, die von der personellen und technischen Ausstattung her eine autonome Erbringung der betreffenden Dienstleistungen ermöglicht.

Der Gerichtshof stellt außerdem ausdrücklich außer Frage, daß es nicht darauf ankommen kann, wo die Fahrzeuge tatsächlich benutzt werden, wo also die Leistung wirtschaftlich verbraucht wird. Diesen Ansatz hatte die Europäische Kommission in dem Verfahren verfolgt und er war auch in der Vergangenheit von verschiedenen anderen Mitgliedstaaten (z.B. Dänemark, Griechenland, Irland und Italien) vertreten worden. Wenn auch nicht ausdrücklich, so jedenfalls im Umkehrschluß zu den Entscheidungsgründen, ergibt sich aus dem Urteil auch, daß das geleaste Fahrzeug selbst ebenfalls keine Betriebsstätte der Leasing-Gesellschaft darstellen kann, sondern nur Gegenstand der Dienstleistung an sich ist.

Wie schon im Urteil vom 4.7.1985 in der Rechtssache 168/84 (Berkholz) so auch in dem jetzigen Urteil geht der Gerichtshof nicht auf das Anwendungsverhältnis zwischen dem Sitzort und dem Ort der festen Niederlassung ein. Zwar wiederholt der EuGH, daß der Sitzort ein vorrangiger Anknüpfungspunkt für den Dienstleistungsort ist und eine feste Niederlassung u.a. nur dann von Interesse ist, wenn die Anknüpfung an den Sitzort steuerlich nicht sinnvoll ist oder Besteuerungskonflikte zwischen verschiedenen Mitgliedstaaten erzeugt. Man könnte versucht sein, hieraus zu schließen, der Vorrang der Betriebsstätte in § 3 a Abs. 1 Satz 2 UStG vor dem Sitzort sei nicht richtlinienkonform, weil nach dem Wortlaut von Artikel 9 Abs.1 der 6. EG-Richtlinie beide Dienstleistungsorte gleichrangig nebeneinander stehen. Dieser Schluß wäre nicht berechtigt. In beiden Urteilen hatte der EuGH sich nur mit der Frage zu beschäftigen, ob nach den gegebenen Sachverhalten eine feste Niederlassung vorlag. Des weiteren lassen die Entscheidungsgründe des EuGH in seinem neuen Urteil in der Ge...

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