Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 22.04.2021; Aktenzeichen 4 O 10692/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 22.04.2021, Az. 4 O 10692/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 8.694,18 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Hinsichtlich des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Ergänzend bzw. zusammenfassend hat der Senat folgende Feststellungen getroffen:

Die Parteien streiten um Rückzahlung von Anwaltshonorar aus einer Vergütungsvereinbarung. Der Kläger beauftragte den Beklagten, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Ende 2019 mit der gerichtlichen Vertretung in einem arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzprozess nach einer betriebsbedingten Kündigung.

Nach Mandatierung schlossen die Parteien am 04.12.2019 rückwirkend zum Vertragsbeginn am 25.11.2019 eine Vergütungsvereinbarung, aufgrund derer der Beklagte ein Stundenhonorar in Höhe von 340,00 EUR netto, mindestens aber das gesetzliche Honorar beanspruchen konnte. § 1 dieser Vergütungsvereinbarung sah u. a. vor, dass die Parteien sich zu einem späteren Zeitpunkt zur Vereinbarung eines Pauschalhonorars zusammensetzen wollten, das sich am Dreifachen der gesetzlichen Vergütung orientieren und dem Verlauf und den Besonderheiten des Mandats Rechnung tragen sollte, wobei eine Abfindung dem Gegenstandswert hinzuzurechnen sei (Anlage K 4). Nach Erhebung einer Kündigungsschutzklage durch den Beklagten kam es bereits vor Durchführung des auf den 21.01.2020 angesetzten Gütetermins vor dem Arbeitsgericht München zu einer Einigung zwischen den Parteien des Kündigungsschutzprozesses durch einen Vergleich. Nach diesem sollte die Kündigung das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2020 beenden und der Kläger für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindungszahlung von 60.000,00 EUR brutto erhalten, zahlbar auf das Rechtsanwaltsanderkonto des Beklagten. Ferner wurde dem Kläger die Möglichkeit einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsvertrages mit Erhöhung der Abfindungszahlung um die noch ausstehende Bruttovergütung eingeräumt (Anlage K 1).

Am 28.01.2020 unterzeichneten die Parteien in den Kanzleiräumen des Beklagten unter im Einzelnen streitigen Umständen eine weitere Vergütungsvereinbarung, welche die erste Vereinbarung ersetzte und als Vergütung ein Pauschalhonorar in Höhe von 12.000,00 EUR brutto vorsah (Anlage B 1). Der Beklagte rechnete infolge mit der Rechtsschutzversicherung des Klägers die gesetzlich nach dem RVG angefallene Vergütung in Höhe von 3.305,82 EUR ab und verrechnete die vom Arbeitgeber auf sein Anderkonto bezahlte Abfindungsleistung mit seinen restlichen Vergütungsansprüchen aus dem Pauschalhonorar in Höhe von 12.000,00 EUR brutto. Diese restliche offene Abfindungsbezahlung in Höhe von 8.694,18 EUR ist Gegenstand der vom Kläger erhobenen Klage.

Mit Endurteil vom 22.04.2021 gab das Landgericht der Klage auf Zahlung von 8.694,18 EUR zuzüglich Zinsen weit überwiegend statt und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beklagte vorliegend unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verpflichtet gewesen sei, dem Kläger vor Abschluss der (zweiten) Vergütungsvereinbarung über die sich aus der ersten Vergütungsvereinbarung ergebenden finanziellen Folgen und insbesondere darüber aufzuklären, ob nach bestehendem Vergütungsrecht auf ihn überhaupt noch weitere Forderungen zukommen würden. Diese Verpflichtung hätte, so das Landgericht, aufgrund des groben Ungleichgewichts in der Verhandlungsposition zwischen Kläger und Beklagten ungefragt und ohne dass es hierfür einer ausdrücklichen Rückfrage des Klägers bedurft hätte, bestanden. Rechtsfolge dieser Pflichtverletzung des Beklagten sei ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Der Kläger sei folglich so zu stellen, als sei die Vergütungsvereinbarung nicht abgeschlossen worden. Der Beklagte sei daher verpflichtet, gemäß § 667 BGB die zu Unrecht verrechnete restliche Abfindung an den Kläger zu bezahlen.

Hiergegen richtet sich die vom Beklagten mit Schriftsatz vom 10.05.2021 und mit Schriftsatz vom 18.07.2021 auch begründete Berufung, mit der er seinen erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag vollumfänglich weiter verfolgt. Der Kläger führt im Wesentlichen aus, die in der ersten Vergütungsvereinbarung enthaltene "Nachverhandlungsklausel" sei allgemein üblich und würde empfohlen. Seitens des Klägers habe zu keinem Zeitpunkt eine Drucksituation bestanden, die zweite Vergütungsvereinbarung zu unterzeichnen, zudem sei aufgrund der ersten Vergütungsvereinbarung für den Kläger bereits zu erkennen gewesen, dass der Beklagte ein deutlich höheres Honorar anstrebe als gesetzlich geregelt sei. Die vom Landgericht angenommene Aufklärungspflicht über die bis zum Abschluss der zweiten Vergütungsvereinbarung entstandenen Gebühren sehe ...

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