Entscheidungsstichwort (Thema)

Wettbewerbsverstoß: Streitwerte bei Unterlassungsanträgen im einstweiligen Verfügungsverfahren in Bezug auf gesetzliche Informationspflichten bei Verbraucherverträgen, Fernabsatzverträgen und Verträgen im elektronischen Rechtsverkehr sowie auf die Verwendung unzulässiger AGB-Klauseln

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einem Verband zur Förderung gewerblicher Interessen gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist das Interesse des Verbandes im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers.

2. Die Interessenlage der Mitbewerber wird durch einen Wettbewerbsverstoß gegen gesetzliche Informationspflichten nur unwesentlich berührt.

3. Im einstweiligen Verfügungsverfahren sind regelmäßig Streitwerte bei Verstößen gegen die Pflichten

a) zur Information über das Muster-Widerrufsformular gem. § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Nr. 1 u. § 4 Abs. 1 EGBGB mit 2.000 EUR,

b) zur Information bei Verbraucherverträgen und Verträgen im elektronischen Rechtsverkehr nach § 312a Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246 Abs. 1 EGBGB und § 312i Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246c EGBGB mit 2.000 EUR je Pflichtinformation,

c) die Verwendung einer Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit 2.000 EUR je angegriffener Klausel,

d) die nach § 1 PreisangabenVO (PAngV) vorgeschriebenen Pflichtangaben mit 2.000 EUR je Pflichtangabe,

zu bewerten.

 

Normenkette

BGB § 312a Abs. 2, § 312d Abs. 1, § 312i Abs. 1; BGBEG Art. 4 Abs. 1, Art. 246 Abs. 1, Art. 246a Abs. 2 Nr. 1, Art. 246c; PAngV § 1; UWG § 8 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Hannover (Beschluss vom 02.10.2015; Aktenzeichen 24 O 41/15)

 

Tenor

Auf die Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers wird der Streitwertbeschluss der Vorsitzenden der 4. Kammer für Handelssachen des LG Hannover vom 2.10.2015 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 12.1.2016 teilweise abgeändert und der Streitwert auf 14.000 EUR festgesetzt. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Verfügungskläger, ein in der Rechtsform des eingetragenen Vereins organisierter Interessenverband der Online-Unternehmer, hat die Verfügungsbeklagte, die über die Internet-Plattform E. Schmuckartikel vertreibt, im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung der von ihr verwandten Widerrufsbelehrung ohne Information über das Muster-Widerrufsformular, von verschiedenen Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie auf Einhaltung bestimmter gesetzlich vorgesehener Informationspflichten u.a. aus Art. 246 EGBGB und aus § 1 PreisangabenVO (PAngV) in Anspruch genommen. Das LG hat die begehrte einstweilige Verfügung erlassen und den Streitwert - auf 5.000 EUR festgesetzt.

Dagegen wenden sich die Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers mit ihrer Streitwertbeschwerde, mit der sie eine Wertfestsetzung entsprechend den Angaben des Verfügungsklägers in der Antragsschrift in Höhe von 20.000 EUR begehren. Das LG hat der Streitwertbeschwerde teilweise abgeholfen und den Gegenstandswert auf 10.000 EUR festgesetzt.

II. Die gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG statthafte und auch im Übrigen gem. § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässige Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers aus eigenem Recht gem. § 32 Abs. 2 RVG hat in dem tenorierten Umfang Erfolg.

a) Gem. § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO und § 51 Abs. 1 GKG bestimmt sich der Streitwert einer einstweiligen Verfügung über einen Anspruch gem. § 3 Abs. 1 UWG i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG (jetzt: § 3a UWG) und § 312d Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EGBGB, § 312a Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB, § 312i Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB i.V.m. Art. 246c Nr. 2 EGBGB, sowie § 1 Abs. 2 PAngV nach billigem Ermessen.

b) In Verfahren, in denen es - wie hier - um die Unterlassung von Wettbewerbsverstößen geht, ist für diese Schätzung das Interesse maßgeblich, das der Antragsteller an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße hat. Kriterien zur Bestimmung dieses Interesses sind vor allem die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit für den Wettbewerber im Hinblick auf den ihm drohenden Schaden (z.B. Umsatzeinbußen, Marktverwirrungs- und Rufschaden), die Unternehmensverhältnisse beim Verletzter und Verletzen (Umsätze, Größe, Wirtschaftskraft, Marktstellung und deren voraussichtliche Entwicklung) und die Intensität des Wettbewerbs (vgl. Senat, Urteil vom 2.8.2012 - 13 U 4/12, juris Rn. 29; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 12 Rn. 5.6). Bei einem Verband zur Förderung gewerblicher Interessen gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, dessen Zweck darin besteht, die Interessen seiner gewerblichen oder selbstständig beruflich tätigen Mitglieder zu fördern, ist das Interesse des Verbandes im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers (Köhler in Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 5.8).

c) Wettbewerbsverstöße gegen die Belehrung ...

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