Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkende Amtsveranlagung bei negativen Einkünften

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG dahingehend, dass nur weitere positive Einkünfte von mehr als 410 € zu einer Amtsveranlagung führen, wirkt nicht auf das Streitjahr 1999 zurück.

 

Normenkette

EStG § 46 Abs. 2 Nr. 1

 

Streitjahr(e)

1999

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 07.05.2008; Aktenzeichen VI R 29/07)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das FA den Kläger zur Einkommensteuer für das Streitjahr 1999 veranlagen muss.

Der Kläger war im Streitjahr als Arbeitnehmer tätig. Er erzielte daraus Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. rund 110.000 DM. Daneben erzielte der Kläger Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung von 18.491 DM und weitere Werbungskostenüberschüsse aus einer Grundstücksgemeinschaft i.H.v. von weiteren 11.691 DM. Seine Einkommensteuererklärung für das Jahr 1999 ging (erst) am 21. November 2003 beim FA ein.

Im Januar 2004 lehnte das FA daraufhin die Veranlagung zur Einkommensteuer 1999 ab. Das FA vertrat die Ansicht, es sei allenfalls eine Antragsveranlagung nach § 46 EStG durchzuführen, für die aber die Antragsfrist vor dem Eingang der Steuererklärung schon abgelaufen sei. Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.

Der Antragsteller ist der Ansicht, die Einkommensteuerveranlagung sei - wie erklärt - durchzuführen.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und hält daran fest, dass die Antragsfrist nach § 46 EStG im Zeitpunkt des Eingangs der Steuererklärung bereits seit Jahren abgelaufen gewesen sei. Soweit der BFH im Urteil vom 21. September 2006 (VI R 52/04, BStBl II 2007, 45) entschieden habe, dass auch negative Einkünfte von mehr als 800 DM zu einer Amts- statt einer Antragsveranlagung führten, habe der Gesetzgeber dieser Ansicht jedenfalls durch rückwirkende Gesetzesänderung im Jahressteuergesetz 2007 die Grundlage entzogen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Das FA war gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung verpflichtet, die eingegangene Einkommensteuererklärung des Klägers als so genannte Amtsveranlagung zu bearbeiten und dem Kläger einen Einkommensteuerbescheid zu erteilen, denn der Kläger hatte neben seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere negative Einkünfte, die nicht dem Steuerabzug vom Lohn unterworfen waren, von mehr als 800 DM. Der Kläger erzielte im Streitjahr persönlich negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. über 18.000 DM und zusätzlich - gesondert und einheitlich festgestellt - negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. weiteren knapp 12.000 DM. Der Senat nimmt insoweit ausdrücklich auf das BFH-Urteil vom 21. September 2006 (aaO.) Bezug.

Die Rechtslage ist (jedenfalls) für das Streitjahr 1999 nicht durch das Jahressteuergesetz 2007 wirksam geändert worden. Zwar hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG inzwischen dahingehend geändert, dass nur weitere positive Einkünfte von mehr als 410 € zu einer Amtsveranlagung führen, diese Änderung des Einkommensteuergesetzes wirkt jedoch nicht auf das Streitjahr 1999 zurück.

Nach § 52 Abs. 55j EStG, der ebenfalls durch das Jahressteuergesetz 2007 eingefügt worden ist, ist zwar § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 „auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden”. Diese Regelung erstreckt sich bei verfassungskonformer Auslegung aber nicht auf das Streitjahr 1999. Erfasst werden nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der Anwendungsvorschrift nur Veranlagungsjahre, bei denen durch die Neufassung des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht nachträglich die Möglichkeit zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung entfällt. Der Gesetzgeber hat nur eine „Klarstellung” der Vorschrift in den Mittelpunkt seiner Gesetzgebungsinitiative gerückt. Eine Absicht, darüber hinaus den Steuerpflichtigen auch bereits bestehende Ansprüche auf Veranlagung entziehen zu wollen, lässt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Gesetzgebungsverfahren ableiten. Im Streitfall besteht daher weiterhin die Verpflichtung des FA, den Kläger zur Einkommensteuer zu veranlagen.

Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, auch bereits rechtlich verfestigte Ansprüche auf Amtsveranlagung rückwirkend entziehen zu wollen, hätte der Gesetzgeber - soweit dies überhaupt rechtlich zulässig gewesen wäre - dies wenigstens eindeutig im Jahressteuergesetz regeln müssen. Dazu hätte der Gesetzgeber in § 52 Abs. 55j EStG etwa anordnen müssen, dass § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG auch auf Veranlagungszeiträume vor 2006 anzuwenden ist, „auch wenn die Frist nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG bereits abgelaufen ist”. Daran fehlt es aber, denn aus dem Wortlaut des § 52 Abs. 55j EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2007 ergibt sich nicht, ab welchem konkreten Veranlagungsjahr die Neufassung der Vorschrift Anwendung finden sollte. Eine dem Wortlaut nach insoweit unpräzise gesetzliche Regelung ist ...

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