Entscheidungsstichwort (Thema)

Nutzung des besonderen Anwaltspostfaches

 

Leitsatz (redaktionell)

Rechtsanwälte, die sich mit Steuerberatern zu einer Steuerberatungsgesellschft mbH zusammengeschlossen haben, unterlagen bereits am dem 1. Januar 2022 der Nutzungspflicht hinsichtlich ihres bestehenden besonderen Anwaltspostfaches (beA).

 

Normenkette

BRAO §§ 31a, 31b; FGO § § 52a, 52d, § 52d Sätze 1-2, §§ 56, 56 Abs. 1, §§ 76, 76 Abs. 2; VwGO § 55d S. 1

 

Tatbestand

Streitig ist (vorrangig), ob die Klage ordnungsgemäß erhoben worden und damit zulässig ist. In der Sache begehrt die Klägerin die Änderung eines auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen ergangenen Umsatzsteuerbescheides.

Die Klägerin gab ihre Steuererklärungen für das Streitjahr (2019) zunächst nicht ab. Deshalb schätzte das FA mit Bescheid vom 11. März 2022 u.a. die festzusetzende Umsatzsteuer nach § 162 der Abgabenordnung (AO) in Höhe von 167.977,70 €. Da die Klägerin ihre Einsprüche gegen die Schätzbescheide nicht begründete, wies das FA die Einsprüche mit Einspruchsbescheid vom Freitag, den 10. Juni 2022 als unbegründet zurück. Der Einspruchsbescheid ging der steuerlichen Beraterin der Klägerin, einer Steuerberatungsgesellschaft mbH, am 14. Juni 2022 zu.

Die Klägerin beauftragte die Steuerberatungsgesellschaft mit einer Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid 2019. Der Rechtsanwalt A, der nicht zugleich auch als Steuerberater zugelassen ist, erhob als einer der Gesellschafter-Geschäftsführer der „B Steuerberatungsgesellschaft mbH“ mit Schriftsatz vom 12. Juli 2022 Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid. Die Klageschrift unterzeichnete der Rechtsanwalt und übermittelte die Klageschrift am gleichen Tag per Telefax an das Gericht.

Nach der Erfassung der Klageschrift in der EDV des Gerichts und Anlage einer Gerichtsakte fertigte der Berichterstatter (bzw. dessen geschäftsplanmäßiger Vertreter) nach Vorlage der Akte unter dem 18. Juli 2022 die Eingangsverfügung, mit der u.a. der Prozessbevollmächtigten der Klägerin der Eingang der Klage bestätigt worden ist. Ab dem 14. September 2022 kommunizierte der Rechtsanwalt parallel per Telefax und erstmals per beA (besonderes Anwaltspostfach) mit dem Gericht.

Bereits mit richterlichem Hinweis vom 16. September 2022 wies der Berichterstatter die prozessbevollmächtigte Steuerberatungsgesellschaft und den dort tätigen Rechtsanwalt auf die Regelung des § 52d der Finanzgerichtsordnung (FGO) und die mögliche Unzulässigkeit der Klage hin. Der Richterbrief wurde am 21. September 2022 elektronisch übersandt. Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin machte anschließend geltend, dass sie als Steuerberatungsgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH im Jahr 2022 noch nicht verpflichtet sei, die Klage gemäß § 52d FGO elektronisch anzubringen und berief sich dazu auf eine Stimme in der Literatur (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52d Rn. 1). In einem ausführlichen telefonischen Rechtsgespräch zwischen dem Berichterstatter und den beiden Geschäftsführern der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14. Oktober 2022 erläuterte der Berichterstatter den Gesprächspartnern nochmals, dass er die Klage zurzeit als unzulässig ansehe und dies am 9. November 2022 im Senat noch beraten wolle. Falls die Klage nach Auffassung des Senats unzulässig sei, werde voraussichtlich ein Gerichtsbescheid mit Zulassung der Revision ergehen. Falls der Senat die Klage nach Beratung doch als zulässig einstufe, werde ein entsprechender Hinweis an die Beteiligten ergehen. Der Berichterstatter informierte anschließend das FA über den Inhalt des Telefonats.

Mit Schriftsatz vom 7. November 2022 wiederholte und vertiefte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin ihre Rechtsansicht zu § 52d FGO. Als Steuerberatungsgesellschaft sei sie nicht verpflichtet gewesen, die Klageschrift elektronisch anzubringen. Bevollmächtigte sei nicht der Rechtsanwalt, sondern eine eigenständige juristische Person, nämlich eine Steuerberatungsgesellschaft. Dies ergäbe sich auch aus der Vollmacht der Klägerin. Für Steuerberatungsgesellschaften in der Rechtsform einer GmbH habe im Zeitpunkt der Klageerhebung im Juli 2022 noch kein sicherer Übermittlungsweg bestanden und die Gesellschaft sei deshalb nicht verpflichtet gewesen, die Klageschrift als elektronisches Dokument zu übermitteln. Deshalb habe Brandis zutreffend in seiner Kommentierung darauf hingewiesen, dass sich nach dem Wortlaut des § 52d FGO diese Verpflichtung nicht auf „Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer bzw. vereidigte Buchprüfer (und Steuerbevollmächtigte oder Steuerberatungsgesellschaften) beziehe“ (Brandis, aaO.). Insoweit könne zugleich nicht der gleiche Maßstab angelegt werden wie bei beruflichen Zusammenschlüssen in der Rechtsform von Personengesellschaften. Zwar habe die Rechtsprechung insoweit inzwischen mehrfach entschieden, dass ein Rechtsanwalt in einer solchen Konstellation das besondere Anwaltspostfach nutzen müsse (BFH, Beschluss vom 23. August 2022 VIII S 3/22, BFH/NV 2022, 1248 und Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom ...

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