Entscheidungsstichwort (Thema)

Bauabzugsteuer: BA-Abzug für Zahlungen an inaktive ausländische Domizilgesellschaft trotz fehlender Empfängerbenennung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Zu den Voraussetzungen der Anwendung des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO.
  2. Das nach § 160 AO auszuübende Ermessen des FA vollzieht sich auf zwei Stufen: Auf der ersten Stufe entscheidet das FA, ob es das Benennungsverlangen an den Stpfl. richten soll, auf der zweiten Stufe trifft das FA eine Ermessensentscheidung darüber, ob und inwieweit es die in § 160 Abs. 1 Satz 1 AO genannten Ausgaben zum Abzug zulässt.
  3. Kommt ein Stpfl. einem rechtmäßigen Benennungsverlangen nicht nach, ist der Abzug der Ausgaben regelmäßig zu versagen.
  4. Die Anwendung des § 160 AO kommt nicht in Betracht, wenn ein Empfänger von Bauleistungen seiner Verpflichtung gemäß § 48 Abs. 1 EStG nachkommt, von der Gegenleistung einen Steuerabzug i.H.v. 15 % für Rechnung des Leistenden vornimmt (sog. Bauabzugssteuer), diesen Steuerabzugsbetrag anmeldet und an das zuständige FA abgeführt hat (§ 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG).
  5. § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Bauleistende eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft ist.
  6. Eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes zum Nachteil des Stpfl. kommt nicht in Betracht. Eine andere Auslegung ist auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten.
  7. Eine Anwendung der Ausschlussregelung auf inaktive Domizilgesellschaften ist mit Blick auf § 42 AO nur dann bedenklich, wenn der Bauleistungsempfänger § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG „instrumentalisiert” und sich den Abzug (entgegen § 160 AO) im Zusammenwirken mit einer formal als Subunternehmer eingeschalteten Domizilgesellschaft rechtsmissbräuchlich erschlichen hat.
 

Normenkette

AO §§ 42, 160; EStG § 48

 

Streitjahr(e)

2002

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 09.06.2022; Aktenzeichen IV R 4/20)

BFH (Urteil vom 07.06.2018; Aktenzeichen IV R 11/16)

BFH (Urteil vom 07.06.2018; Aktenzeichen IV R 11/16)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob von der E-GmbH & Co. KG im Streitjahr 2002 an britische Subunternehmer geleistete Zahlungen zum Betriebsausgabenabzug zuzulassen sind oder ob unter Anwendung des § 160 der Abgabenordnung (AO) eine Kürzung wegen unterlassender Empfängerbenennung in Höhe von 70 v.H. rechtmäßig ist.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der E-GmbH &. Co KG Entwicklungs- und Bauträgergesellschaft (Im Folgenden: E). Das Insolvenzverfahren ist derzeit noch nicht abgeschlossen.

E erzielte aus der Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben aller Art Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Einkommensteuergesetz - EStG -).

E nahm im Streitjahr 2002 umfangreiche Leistungen britischer Subunternehmer für die Realisierung diverser Großobjekte in Anspruch. Ausweislich der Buchführung wurden insoweit für 2002 Zahlungen in einer Gesamthöhe von insgesamt 950.110 € gewinnmindernd als Betriebsausgaben berücksichtigt. Zwischen den Beteiligten sind sowohl die Gesamthöhe der Betriebsausgaben als auch die Umstände unstreitig, dass die britischen Subunternehmer „Bauleistungen” im Sinne des § 48 EStG erbrachten, die vorstehenden Aufwendungen als Gegenleistung hierfür geleistet wurden und die E im Jahr 2003 in gesetzlicher Höhe hierfür Bauabzugssteuer für die britischen Subunternehmer anmeldete und abführte.

Nach den Feststellungen und Auskünften der Informationszentrale Ausland (IZA) des Bundeszentralamtes für Steuern (früher: BfF) handelte es sich bei sämtlichen britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Briefkastengesellschaften/Domizilgesellschaften.

In dem zunächst für das Streitjahr 2002 ergangenen und gemäß § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheid vom 16. November 2004 wurden die gewerblichen Einkünfte erklärungsgemäß mit 445.176 € berücksichtigt.

Anlässlich einer bei E auch für das Streitjahr durchgeführten Außenprüfung traf der Prüfer unter anderem folgende Feststellungen:

Die Zahlungen an die britischen Firmen erfolgten auf wechselnde, in den Rechnungen angegebene inländische Bankkonten. Die im Besteuerungsverfahren erfolgten Anfragen bei den maßgeblichen Banken führten zu der Erkenntnis, dass es sich in keinem der Fälle um ein Geschäftskonto handelte. Die Konten waren vielmehr durchgängig auf Einzelpersonen als Verfügungsberechtigte eingerichtet worden. Ein an die E gerichtetes Benennungsverlangen zur Feststellung der aus den Zahlungen tatsächlich begünstigten Personen führte zu keinem Ergebnis, da es dieser nicht möglich war, die betreffenden Personen mit Namen und Anschriften zu benennen und den geforderten Nachweis zu führen.

Vor diesem Hintergrund vertrat der Außenprüfer die Auffassung, dass den insoweit geltend gemachten Betriebsausgaben gemäß § 160 AO teilweise der Abzug zu versagen sei. Unter Berücksichtigung aller Risiken im Rahmen der Ermessensausübung schätzte der Prüfer die Kürzungsbeträge für 2002 auf insgesamt 665.077 € (70 % der Gesamtzahlungen über 950.110 €).

Das Finanzamt (FA) Buchholz in der Nordhei...

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