Leitsatz

1. Bei einem Forderungskäufer kommt es zur Beurteilung der Frage der Nachhaltigkeit seiner Tätigkeit nicht auf die Verwertungs‐, sondern auf die Beschaffungsseite an (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Der nachhaltige Ankauf von notleidenden Darlehensforderungen nebst Sicherungsrechten begründet nicht ohne Weiteres die Annahme einer originär gewerblichen Tätigkeit des Forderungskäufers. Ob die Tätigkeit eines Forderungskäufers die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb überschreitet, ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen.

3. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt (Bestätigung der Rechtsprechung).

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

An der Klägerin, einer nicht gewerblich geprägten GmbH & Co. KG, war neben der vermögensmäßig nicht beteiligten Komplementär-GmbH die Z (zunächst nur über einen Treuhänder, später selbst) als Kommanditistin beteiligt. Gegenstand des Unternehmens war laut Gesellschaftsvertrag "der Ankauf von …, Wertpapieren und sonstigen Kapitalanlagen aller Art sowie …[die] Verwaltung ihres eigenen Vermögens". In den Jahren 2004 bis 2006 kaufte die Klägerin für insgesamt rd. 2 Mio. EUR von mehreren Banken in insgesamt sechs zivilrechtlich selbstständigen Verträgen notleidende Darlehensforderungen unter Nennwert an oder löste Darlehensforderungen durch Zahlung einer unter Nennwert der Gesamtforderungen liegenden Summe gegen Freigabe diverser Sicherheiten ab. Schuldner der Forderungen waren entweder E persönlich oder eine Gesellschaft, an der E zumindest beteiligt war. E war der Lebensgefährte und spätere Ehemann der Z. Die Finanzierung der Forderungserwerbe erfolgte größtenteils fremdfinanziert. Der Klägerin flossen aus einem Teil der Kauf- und Ablösungsvorgänge unregelmäßig Einnahmen aus den abgetretenen Forderungen sowie den zur Sicherung abgetretenen Vermögensansprüchen zu, im Streitjahr 2008 ein Betrag i.H.v. rund 3 Mio. EUR. Zudem erfolgten unregelmäßig Zinszahlungen auf die erworbenen Forderungen. Für die Überwachung der Zahlungen und Ansprüche aus den abgetretenen Vermögensrechten unterhielt die Klägerin keine eigenen Büroräume. Sie hatte auch keine eigenen Angestellten. Die Mietverhältnisse, deren Einnahmen zum Teil Gegenstand der Abtretungen waren, wurden weiterhin von den bereits zuvor beauftragten Hausverwaltungen verwaltet. Die Buchhaltung der Klägerin erledigte die Kanzlei der Klägervertreterin. Die Klägerin entfaltete keine Mahnungs- oder Vollstreckungstätigkeit gegenüber den jeweiligen Schuldnern der abgelösten Forderungen und verkaufte keine der Forderungen. Im Streitjahr 2008 war die Klägerin an der L-KG beteiligt, für die bestandskräftige Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt waren. Das FG (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.3.2021, 6 K 6322/17, Haufe-Index 16191493) gab der gegen den GewSt-Messbescheid gerichteten Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen zurück.

 

Hinweis

1. Eine Tätigkeit ist regelmäßig nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist, d.h. eine Wiederholungsabsicht in der Weise besteht, dass weitere Geschäfte geplant sind. Abzustellen ist auf die Geschäfte, die die gewerbliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausmachen. So kommt es z.B. beim Händler, dessen Tätigkeit auf den marktmäßigen Umschlag von Sachwerten gerichtet ist, auf ein wiederholtes Tätigwerden auf der Absatzseite an; ein wiederholtes Tätigwerden auf der Beschaffungsseite reicht nicht aus. Bei einem Forderungskäufer ist hingegen auf die Beschaffungsseite abzustellen, da die entscheidende Tätigkeit der Ankauf von Forderungen ist, nicht hingegen das Ob und Wie ihrer Einziehung bzw. der Verwertung der für sie bestellten Sicherheiten.

2. Die Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substanzieller Vermögenswerte durch Umschichtung gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt. Abzustellen ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung. Das "Bild des Gewerbebetriebs" wird dabei durch Orientierung an unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern konturiert (z.B. Tätigkeiten der Produzenten, der Dienstleister und der Händler).

3. Da der Factor beim echten Factoring weder einen Handel mit Forderungen betreibt noch eine Dienstleistung gegenüber Dritten erbringt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen, ob seine Tätigkeit zu E...

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