rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Gewerbesteuerpflicht einer nur aufgrund der Aufwärtsabfärbung nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG als gewerblich anzusehenden Personengesellschaft. nachhaltiger Ankauf notleidender Darlehensforderungen als private Vermögensverwaltung oder als originär gewerbliche Tätigkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Für die Aufwärtsabfärbewirkung oder Infizierung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG genügt es nicht, dass eine an einer weiteren Personengesellschaft beteiligte Personengesellschaft als Mitunternehmer im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist. Vielmehr wird auch ein „Bezug” von Gewinnanteilen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG aus dieser gewerblichen Mitunternehmerschaft vorausgesetzt.

2. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Personengesellschaft, die nur aufgrund der Aufwärtsabfärbung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 Alt. 2 EStG als gewerbliches Unternehmen anzusehen ist, nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt (Anschluss an BFH, Urteil v. 6.6.2019, IV R 30/16, BStBl 2020 II S. 649).

3. Bei einem Forderungskäufer kommt es zur Beurteilung der Frage der Nachhaltigkeit seiner Tätigkeit nicht auf die Verwertungs-, sondern auf die Beschaffungsseite an (Anschluss an BFH, Urteil v. 14.9.2017, IV R 34/15). Ein in sechs selbständigen Kauf- oder Ablösungsverträgen innerhalb von drei Jahren durchgeführter Ankauf von notleidenden Darlehensforderungen nebst Sicherungsrechten von verschiedenen Banken erfolgt nachhaltig im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG.

4. Im Falle des Forderungskaufs ist bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Vermögensverwaltung auf das Gesamtbild der Verhältnisse und eine berufsbildgeprägte Verkehrsanschauung abzustellen. Hat der Forderungskäufer den Erwerb getätigt, um weiterhin – wie bei Darlehensforderungen üblich – vorrangig die Früchte zu ziehen, d. h. Zinsen wie zuvor der Dar-lehensgeber zu erwirtschaften, ist grundsätzlich in Abwesenheit besonderer Umstände von einer privaten Vermögensverwaltung auszugehen, und zwar unabhängig davon, ob er den Erwerb fremdfinanziert hat oder eine Vielzahl von Darlehensforderungen oder aber Darlehensforderungen über hohe Nominalbeträge erworben hat.

5. Erwirbt der Erwerber dagegen nachhaltig notleidende Forderungen, um vorrangig die – bereits fälligen – Forderung einzuziehen, kann der Forderungserwerb trotz Notleidens der Forderungen Indiz für eine bei Erwerb bestehende – zumindest bedingte – kurzfristige, als gewerblich einzustufende Einziehungsabsicht bzw. Veräußerungsabsicht sein, bei der die Fruchtziehung nur noch einen Nebenzweck darstellt, soweit nämlich noch Zinsen bis zur Einziehung anfallen und der Schuldner überhaupt noch in der Lage ist, Zinsen zu leisten (im Streitfall: keine originäre gewerbliche Tätigkeit des Forderungskaufs, weil die Klägerin unter anderem nicht für Andere tätig geworden ist, das komplette Ausfallrisiko in Bezug auf die erworbenen Forderungen getragen hat, keine der unter Nennwert erworbenen Forderungen verkauft hat, also nicht als Forderungshändlerin tätig geworden ist, sondern sich auf das Halten der Forderungen, das unregelmäßige Einziehen von Teil- und Zinsbeträgen der erworbenen Forderungen sowie den passiven Empfang von Erlösen aus akzessorischen und nicht akzessorischen Sicherungsrechten beschränkt hat).

 

Normenkette

GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2; EStG 2008 § 15 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, Abs. 2 S. 1, Abs. 3 Nr. 1 S. 1; AO § 14 S. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.11.2023; Aktenzeichen IV R 10/21)

 

Tenor

Der Gewerbesteuermessbescheid 2008 vom 11. April 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. August 2013 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist nur noch streitig, ob die Klägerin im Streitjahr 2008 dem Grunde nach gewerbesteuerpflichtig war.

Die zunächst unter B… GmbH & Co. KG firmierende Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom im 08/2004 gegründet und 10/ 2004 in das Handelsregister des Amtsgerichts C… eingetragen. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin war seit Gründung und auch noch im Streitjahr „der Ankauf von … und grundstücksgleichen …, … und sonstigen … aller Art sowie deren Vermietung, Verpachtung und Verwaltung ihres eigenen Vermögens” (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags).

Gründungskomplementärin war die weder am Vermögen noch am Ergebnis beteiligte D… GmbH. Gründungskommanditist der Klägerin und alleiniger Gesellschafter der D… GmbH war der Rechtsanwalt E… mit einer Kommanditeinlage von EUR 100,-. Zur Geschäftsführung war gem. § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsve...

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