Zusammenfassung

 
Überblick

Unternehmen, auf die das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) anwendbar ist, müssen ein Beschwerdeverfahren anbieten. Das bedeutet, dass Betroffenen die Möglichkeit eröffnet werden muss, auf eine Verletzung ihrer Menschenrechte oder das unmittelbare Bevorstehen einer solchen Verletzung hinweisen zu können. Das gilt sowohl für Verletzungen im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens als auch entlang seiner gesamten Lieferkette. In gleicher Weise müssen Unternehmen eine Möglichkeit anbieten, auf Verletzungen oder unmittelbar bevorstehende Verletzungen der Umweltstandards hinzuweisen, die das LkSG schützt.

Das Unternehmen muss dem Hinweis nachgehen und ggf. Abhilfe schaffen. Dabei muss es die Beschwerdeführer vor Repressalien schützen. Es muss die Wirksamkeit des Beschwerdeverfahrens regelmäßig überprüfen.

1 Ziele des Beschwerdeverfahrens

Das Beschwerdeverfahren nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) hat zwei Ziele:

  • Es soll Betroffenen eine Möglichkeit eröffnen, eine Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards zu beenden bzw. sie abzuwenden, wenn diese drohen.
  • Darüber hinaus liefert es Unternehmen wichtige Informationen über die Effektivität ihres Risikomanagements. Wenn ein Unternehmen bspw. Präventionsmaßnahmen gem. § 6 LkSG[1] umsetzt, um bestimmte Menschenrechtsverletzungen zu verhindern und dann über das Beschwerdeverfahren Meldungen darüber erhält, dass es zu einer Verletzung dieser Menschenrechte gekommen ist, dann zeigt das, dass die Präventionsmaßnahmen nicht erfolgreich waren. Das Unternehmen muss dann die Maßnahmen überarbeiten oder anpassen.

2 Hintergrund: Zugang zu Abhilfe ist in den UN-Leitprinzipien vorgesehen

Das Beschwerdeverfahren geht, wie alle Pflichten des LkSG, zurück auf die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.[1] Die UN-Leitprinzipien sind eine Reihe von Grundsätzen, die das Verhältnis zwischen wirtschaftlichen Aktivitäten von Unternehmen und den Menschenrechten betreffen. Sie gliedern sich in drei Säulen. Die dritte Säule trägt den Titel "Zugang zu Abhilfe". In den Prinzipien, die unter dieser Säule der UN-Leitprinzipien zusammengefasst sind, geht es u. a. darum, dass Unternehmen einen Mechanismus einrichten müssen, damit betroffene Personen und Gruppen das Unternehmen darauf hinweisen können, wenn das Unternehmen ihre Menschenrechte durch seine wirtschaftlichen Aktivitäten verletzt.

Die Pflicht zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens nach dem LKSG lehnt sich an diese Obliegenheit nach den UN-Leitprinzipien an. Es ist wichtig, diesen Zusammenhang im Blick zu behalten, weil das LkSG das Beschwerdeverfahren eher oberflächlich regelt. Bei der Interpretation des Gesetzes kann man auf die UN-Leitprinzipien zurückgreifen[2]; die Gesetzesbegründung zum LkSG weist darauf auch ausdrücklich hin.[3] Darüber hinaus gibt es Materialien und Hinweise zur Auslegung der UN-Leitprinzipien, die unter vom UN-Hochkommissar für Menschenrechte und der OECD herausgegeben worden sind.[4] Auch auf diese kann bei der Interpretation des LkSG zurückgegriffen werden; darauf weist die Gesetzesbegründung ebenfalls hin.[5]

[2] Gläßer/Kühn, in: Henn/Jahn, BeckOK Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, 3. Edition 2023, Rn 32; Hembach, Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, S. 169.
[3] BT-Drucksache 19/28649, S. 41.
[4] UN-Hochkommissar für Menschenrechte: The Corporate Responsibility to Respect Human Rights. An Interpretive Guide; OECD Due Diligence Guidance for Responsible Business Conduct; OECD Guidance for Responsible Supply Chains of Minerals from Conflict-Affected and High-Risk Areas.
[5] BT-Drucksache 19/28649, S. 41.

3 Verpflichtung zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens nach LkSG

§ 8 LkSG verpflichtet Unternehmen zur Einrichtung des Beschwerdeverfahrens entlang der gesamten Lieferkette. Allerdings steht diese Pflicht, wie alle Pflichten des LkSG, unter dem Vorbehalt der Angemessenheit.[1] Unternehmen müssen das Verfahren bekannt machen und so ausgestalten, dass es für potenziell Betroffene zugänglich ist. Potenziell Betroffene sind alle Personen, deren Menschenrechte oder die Umwelt möglicherweise durch die wirtschaftlichen Aktivitäten des Unternehmens beeinträchtigt werden.[2]

Unternehmen müssen eine Verfahrensordnung für die Nutzung des Verfahrens erstellen und in Textform zugänglich machen.[3]

Wenn Unternehmen die Einrichtung des Beschwerdeverfahrens unterlassen, ist das eine Ordnungswidrigkeit.[4] Die Bußgelder reichen bei natürlichen Personen bis zu 800.000 EUR[5] und bei Unternehmen bis zu 8 Mio. EUR[6].

Die Personen, die die Beschwerden bearbeiten, müssen bei der Bearbeitung unabhängig und weisungsfrei vorgehen können.[7] Unternehmen müssen die Beschwerden dokumentieren und die Wirksamkeit des Beschwerdeverfahrens überprüfen.[8]

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