Sind die jeweiligen branchen- und länderspezifischen Risiken identifiziert, müssen diese im Hinblick auf die unternehmensspezifische Situation bewertet werden. Zur Bewertung der identifizierten Risiken können die Kriterien Schwere der Verletzung und Eintrittswahrscheinlichkeit herangezogen werden.

Schwere der Verletzung

Im ersten Schritt sind Faktoren zu definieren, die festlegen, wie die Schwere der Verletzung und die Eintrittswahrscheinlichkeit zu bestimmen sind. Eine Grundlage für die Bewertung können die VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sein.[1] Die VN-Leitprinzipien definieren 3 Indikatoren für die Bewertung der Schwere von Auswirkungen:

  • Ausmaß
  • Umfang
  • Unumkehrbarkeit

Eintrittswahrscheinlichkeit eines Risikos

Im zweiten Schritt wird die Eintrittswahrscheinlichkeit anhand des Maßstabes

  • gelegentlich
  • wahrscheinlich
  • häufig

bestimmt.

Zur Risikobewertung werden sodann die Schwere und die Eintrittswahrscheinlichkeit miteinander ins Verhältnis gesetzt.

[1] Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, Geschäftsstelle Deutsches Global Compact Netzwerk, 2. Auflage Juni 2014; abrufbar unter: https://www.auswaertiges-amt.de/blob/266624/b51c16faf1b3424d7efa060e8aaa8130/un-leitprinzipien-de-data.pdf; zuletzt abgerufen am 4.6.2023.

6.1 Bewertung der Schwere

Die Einordnung der für die Bewertung der Schwere relevanten Indikatoren kann unter Anwendung folgender Definitionen erfolgen:

Ausmaß

Der Indikator Ausmaß beantwortet die Frage, wie gravierend die negative Auswirkung für die Betroffenen ist. Hier kann mit einer dreistufigen Systematik gearbeitet werden, die das Ausmaß in die Stufen "hoch", "mittel" und "niedrig" unterteilt. Es sind jeweils Definitionen zu etablieren, die beschreiben, wonach sich die Einstufung bestimmt. Wenn das Eintreten des Risikos zum Beispiel zum Tod oder zu einer erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung führt, ist das Ausmaß als hoch zu bewerten, während eine Beeinträchtigung des Ökosystems in einem klar abgrenzbaren Gebiet möglicherweise nur ein mittleres Ausmaß darstellt.

Umfang

Der Indikator "Umfang" beantwortet die Frage, wie viele Menschen betroffen sind. Auch hier kann mit einer dreistufigen Systematik gearbeitet werden, bei der die Stufen "hoch", "mittel" und "niedrig" jeweils zum Ausdruck bringen können, wie hoch die Betroffenheit der Bevölkerung einzuschätzen ist. Die Definitionen können beispielsweise durch Angaben prozentualer Betroffenheit gebildet werden.

Unumkehrbarkeit

Der Indikator "Unumkehrbarkeit" beantwortet die Frage, inwieweit die Möglichkeit besteht, die Betroffenen wieder in eine Situation zu versetzen, die mindestens der Situation vor der negativen Auswirkung entspricht. Hier kann eine dreistufige Systematik eingeführt werden, die beschreibt, ob überhaupt eine Behebung möglich ist und ob die Anforderungen für die Behebung komplex oder einfach sind. Daraus leitet sich dann die Einstufung im Dreistufenmodell ab.

Gewichtung der Indikatoren

Anhand der drei Indikatoren kann im nächsten Schritt in einer Gesamtbetrachtung die Bewertung der Schwere vorgenommen werden. Dazu ist wieder eine Methodik zu entwickeln, die festlegt, wie die jeweiligen Einstufungen zueinander ins Verhältnis zu setzen sind.

6.2 Bewertung der Eintrittswahrscheinlichkeit

Die Eintrittswahrscheinlichkeit kann ebenfalls in verschiedene Kategorien definiert werden. Das Kriterium der Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet die Frage, wie wahrscheinlich es ist, dass die negative Auswirkung eintritt. Auch hier kann in der Dreistufigkeit verfahren werden und die Eintrittswahrscheinlichkeit kann zum Beispiel mit "gelegentlich", "wahrscheinlich" und "häufig" eingestuft werden.

6.3 Gesamtschau der Risikobewertung

Schließlich ist eine Gesamtschau vorzunehmen, die die Kriterien Schwere und Ausmaß ins Verhältnis zueinander setzt. Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit ergeben dann in der Gesamtschau die Risikobewertung.

Abb. 1: Beispielhafte Methodik für die Gesamtbewertung eines Risikos

 
Praxis-Beispiel

Identifizierte Risiken priorisieren

In der Praxis zeigt sich, dass die identifizierten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken unterschiedlich stark priorisiert werden. Mögliche Überlegungen, die zur Priorisierung herangezogen werden, sind:

  • Schwere der potenziellen Auswirkungen
  • Mögliche rechtliche Auswirkungen für das Unternehmen
  • Mögliche Auswirkungen auf die Reputation des Unternehmens
  • Einflussvermögen auf den unmittelbaren Verursacher
  • Art des Verursachungsbeitrags des eigenen Unternehmens
  • Unumkehrbarkeit der potenziellen Auswirkungen
  • Anzahl der potenziell betroffenen Menschen

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