Rz. 37

In arbeitsteilig organisierten globalen Wertschöpfungsnetzwerken können sozio-ökologische Probleme und Verletzungen von Menschenrechten nicht mehr nur innerhalb eines einzelnen Unternehmens, sondern auch in seiner Lieferkette bei vor- oder nachgelagerten Firmen auftreten. Folglich werden nicht nur Wettbewerbsfähigkeit und Markterfolg, sondern auch Verantwortlichkeit und Haftungsprinzipien von der Ebene einzelner Unternehmen auf die ganzer Lieferketten übertragen. Derartige Effekte ließen sich in der Vergangenheit wiederholt beobachten.[1]

Kommt es ohne höhere Gewalt in einem Wertschöpfungsnetzwerk zu einer Verletzung der Nachhaltigkeit, so machen Konsumenten und Endverbrauchermärkte das fokale Unternehmen dafür verantwortlich.[2] Die Endverbraucher schreiben dem fokalen Unternehmen die Verantwortlichkeit selbst dann zu, wenn sie sich darüber bewusst sind, wie schwierig es für ein einzelnes Unternehmen ist, Nachhaltigkeit innerhalb des gesamten Netzwerks durchzusetzen.[3] Für das fokale Unternehmen sind meist Ärger der Konsumenten und Boykott seitens der Endverbrauchermärkte die unangenehmen Folgen von Nachhaltigkeitsverletzungen innerhalb des eigenen Wertschöpfungsnetzwerks.[4]

 

Rz. 38

Gesetzgeber reagieren mit ihren nationalen Regulierungen auf ähnliche Weise mit der Zuschreibung von Haftung für Verletzungen der Nachhaltigkeit in Lieferketten. Die Zahl der Gesetze und Regulierungen wächst, welche die Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeitsanforderungen an die Lieferkette explizit dem fokalen Unternehmen zuweisen.[5] Beispiele umfassen den UK Bribery Act, den US Dodd Frank Act oder Kaliforniens Transparency in Supply Chains Act[6] oder den UK Modern Slavery Act[7], aber auch Branchenselbstverpflichtungen und andere nicht gesetzlich bindende Regelungen wie z. B. die UN Guiding Principles for Business & Human Rights[8] oder den Nationalen Aktionsplan zu deren Umsetzung in Deutschland.[9] Mitunter herrschen jedoch Vollzugsdefizite, da untergeordnete Behörden diese Vorschriften nicht immer wirkungsvoll einfordern können oder wollen.[10]

 

Rz. 39

Gleichwohl erkennen Unternehmen die Notwendigkeit, vorgelagerte Lieferanten in ihre Betrachtung einzubeziehen und zu managen, und sie intensivieren ihre Anstrengungen, Nachhaltigkeit innerhalb der gesamten Lieferkette durch- und umzusetzen.[11] Diese Sorgfaltspflichten zielen auf höchstmögliche Transparenz ab und gehen so über das klassische Risikomanagement in Lieferketten hinaus, welches darauf fokussiert bleibt, unmittelbare Schäden vom Kerngeschäft fernzuhalten oder abzuwenden.[12] Entsprechende Praktiken hierfür reichen von Zertifizierungen über Kontrollketten und Instrumente der Nachverfolgbarkeit bis hin zu einer vollumfassenden Supply Chain Due Diligence der Kooperationspartner im Wertschöpfungsnetzwerk.[13]

 

Rz. 40

I. R. e. solchen Supply Chain Due Diligence werden interne und externe Informationen über das Partnerunternehmen gesammelt, anhand derer ein umfassendes Verständnis und ein möglichst vollständiges Bild über das Unternehmen entstehen soll. Hierbei werden dessen jeweiliger Industriezweig und seine finanzielle Lage ebenso berücksichtigt wie dessen Kunden, Lieferanten und Wettbewerber sowie seine Technologien, Geschäftsprozesse und Managementprinzipien.[14]

Die Durchführung einer Supply Chain Due Diligence kann durch regulatorische Vorgaben, Wettbewerbsdruck oder Gruppenzwang innerhalb der eigenen Peergroup ausgelöst werden und die Markt- und Wettbewerbsposition ebenso beeinflussen wie die finanzielle Leistungsfähigkeit.[15] Bei der Supply Chain Due Diligence kommen externe Werkzeuge und Systeme ebenso zum Einsatz wie firmeninterne Managementunterstützung, wobei lückenhafte regulatorische Auflagen, Marktstrukturen und Komplexität sowie Ressourcenbedarf und Kosten erhebliche Hürden für die Umsetzung darstellen.[16]

[1] Defizitäre Arbeitsbedingungen bei Foxconn und die resultierenden Auswirkungen auf Apple sind ein prominentes Beispiel; vgl. Xu/Li, Journal of Business Ehtics 2013, S. 371 ff.
[2] Vgl. Hartmann/Moeller, Journal of Operations Management 2014, S. 281 ff.
[3] Vgl. Hartmann/Moeller, Journal of Operations Management 2014, S. 281 ff.
[4] Vgl. Hartmann/Moeller, Journal of Operations Management 2014, S. 281 ff.
[5] Vgl. Seuring/Müller/Schwarzkopf, Nachhaltiges Management von Wertschöpfungsketten, in: Baumast/Pape (Hrsg.), Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, 2. Aufl., 2022, S. 306 ff.
[6] Vgl. Sedex, Going Deep – The case for multi-tier transparency, 2013.
[7] Vgl. UK Government, Modern Slavery Act, 2015.
[8] Vgl. Sedex, Going Deep – The case for multi-tier transparency, 2013.
[9] Vgl. Auswärtiges Amt, Nationaler Aktionsplan – Umsetzung der VN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte 2016–2020, 2020. Einen Überblick über entsprechende Regulierungen bietet bspw. econsense, 2017.
[10] Vgl. Seuring/Müller/Schwarzkopf, Nachhaltiges Management von Wertschöpfungsketten, in: Baumast/Pape (Hrsg.), Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement, 2. Aufl., 2022, S. 3...

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