Rz. 5

Durch Fließbandfertigung, Teilautomatisierung und Digitalisierung haben sich industrielle Fertigungssysteme von mechanisierten Manufakturbetrieben des 18. Jahrhunderts zu globalen Wertschöpfungsnetzwerken gewandelt. Mittlerweile stehen nicht mehr einzelne Unternehmen, sondern konkurrierende Lieferketten im Wettbewerb um Marktanteile und Erträge.[1] Diese Netzwerke umfassen sämtliche Aktivitäten und Funktionen der Wertschöpfung von der Gewinnung der ursprünglichen Rohmaterialien bis hin zur Belieferung der Endverbraucher mit Fertigware oder Dienstleistungen.[2]

Ausgangspunkt sind sog. fokale Unternehmen, welche die Lieferkette wesentlich gestalten und somit eine führende Rolle innerhalb des Wertschöpfungsnetzwerks übernehmen, indem sie den Marktzugang sicherstellen und für Endkunden sichtbar sind, das Produkt gestalten und dessen grundsätzliche Eigenschaften festlegen und zudem Zulieferbetriebe auswählen und Distributionsnetzwerke festlegen.[3] Gleichwohl werden nicht ausschl. die operativen Wertschöpfungsabläufe innerhalb eines Unternehmens fokussiert, sondern darüber hinaus die unmittelbaren Lieferanten und Kunden des fokalen Unternehmens ("direct supply chain") sowie deren vor- und nachgelagerte Lieferanten und Kunden ("extended supply chain") und schlussendlich alle weiteren an der Wertschöpfung unmittelbar oder mittelbar beteiligten Organisationen und Systeme in die Betrachtung einbezogen ("ultimate supply chain").[4] Somit sind auch insbes. Logistikdienstleister und andere Dienstleistungsbetriebe Bestandteil der Lieferkette.[5]

 

Rz. 6

Der die Lieferkette, oder genauer: das Wertschöpfungsnetzwerk[6], bildende Verbund von Unternehmen entsteht durch die Material-, Informations- und Geld-/Finanzflüsse, durch welche die einzelnen Akteure miteinander verbunden sind.[7] Im traditionellen Sinne sind Materialflüsse hauptsächlich weg von der Rohstoffgewinnung und hin zu Endverbrauchermärkten ausgerichtet, weshalb die Lieferantenseite als "upstream" und die Kundenseite als "downstream" bezeichnet wird.[8] Diese traditionelle Richtung der Materialflüsse wird allerdings zunehmend durch entgegengesetzt verlaufende Güterflüsse ergänzt, z. B. bei Retouren zur Produktrücknahme oder -entsorgung.[9] Ähnliches gilt für Geld- und Finanzflüsse, deren hauptsächliche Orientierung "upstream" weg von den Kunden z. B. i. R. d. Retourenabwicklung um "downstream" ausgerichtete Zahlungs(rück)flüsse ergänzt wird.[10] Im Gegensatz dazu weisen Informationsflüsse in Lieferketten keine präferierte Ausrichtung auf, da Informationen sowohl mit vorgelagerten Lieferanten als auch mit nachfolgenden Kunden und eingebundenen Dienstleistern regelmäßig ausgetauscht werden (sollten).[11]

 

Rz. 7

Abb. 1 illustriert schematisch die Struktur einer Lieferkette mit ihren Ebenen der Organisationen, Systeme und Prozesse. Lieferketten müssen für einzelne Produkte bzw. Dienstleistungen geschaffen und betrieben werden.[12] Insofern ist ein Unternehmen häufig bzw. sogar i. d. R. Bestandteil vieler verschiedener Lieferketten.[13]

Abb. 1: Schematische Darstellung einer Lieferkette

 

Rz. 8

Um eine Lieferkette wertgenerierend und nicht wertvernichtend zu betreiben, müssen sämtliche Wertschöpfungsaktivitäten i. R. d. Supply Chain Managements geplant, vorbereitet, ausgeführt und gesteuert werden.[14] Das Supply Chain Management umfasst alle Aufgaben, Funktionen und Prozesse der Wertschöpfung, also insbes. Produktion, Beschaffung, Logistik und Bestandsführung, Qualitätsmanagement usw., und geht daher deutlich über eine rein funktionale Betrachtung, die z. B. das Produktions- oder Logistikmanagement einnimmt, hinaus.[15]

 

Rz. 9

Ausgangspunkt des Supply Chain Managements sind Kunden und Endverbraucher, deren Bedarfe durch die Lieferkette gedeckt werden sollen.[16] Da die Leistungsfähigkeit der gesamten Lieferkette für die Wettbewerbsfähigkeit entscheidend ist und von jedem Akteur beeinflusst werden kann, sind funktions- und unternehmensübergreifende Koordination und Kooperation im Supply Chain Management von entscheidender Relevanz.[17] Hierbei orientieren sich die Aufgaben des Supply Chain Managements an den Prozessen, mit denen die Material-, Informations- und Geld-/Finanzflüsse gesteuert werden.[18] Somit lässt sich Supply Chain Management durch 3 definierende Eigenschaften klar charakterisieren:

  • Kundenbezug,
  • Prozessorientierung und
  • Koordination und Kooperation.
 

Rz. 10

Im Gegensatz hierzu kann man das vielschichtige und komplexe Gebiet des Supply Chain Managements aus unterschiedlichen Perspektiven auffassen.[19] Mentzer u. a. definieren Supply Chain Management als (i) Managementphilosophie und Systemansatz zur innerbetrieblichen und unternehmensübergreifenden Synchronisation und Integration innerhalb der gesamten Lieferkette,[20] (ii) strategische Orientierung hin auf gemeinsame innerbetriebliche und unternehmensübergreifende Prozesse und Fähigkeiten[21] und (iii) Kundenfokus, um einzigartigen und individuellen Kundenwert zu schaffen und Kundenzufriedenheit zu garantiere...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge