Rz. 101

Bei Vorliegen bestimmter Sachverhalte ist es gem. § 296 HGB erlaubt, Tochterunternehmen wahlweise nicht in den Konzernabschluss einzubeziehen. Zum einen besteht dieses Einbeziehungswahlrecht, wenn eine der 3 in Abs. 1 genannten sachlichen Begründungen zutrifft, wobei rechtssystematisch höchst umstritten ist, dies als Wahlrecht statt als Einbeziehungsverbot auszugestalten. Zum anderen ist gem. Abs. 2 eine Nichteinbeziehung aufgrund des Wesentlichkeitsprinzips möglich.[1] Die Nichteinbeziehung ist im Konzernanhang anzugeben und zu begründen (§ 296 Abs. 3 HGB). Obwohl es im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt wird, sind Unternehmen, die aufgrund eines Einbeziehungswahlrechtes nicht voll konsolidiert werden, nach der Equity-Methode in den Konzernabschluss einzubeziehen, sobald die Bedingungen des § 311 HGB erfüllt sind. Für die Einbeziehungswahlrechte gilt zudem ebenfalls der Grundsatz der Stetigkeit.[2]

Beim Übergang von der Vollkonsolidierung zur Equity-Bewertung oder zur Bewertung der Beteiligung mit ihren (fortgeführten) Anschaffungskosten ist eine Abwärtskonsolidierung nach Maßgabe von DRS 23.187-190 vorzunehmen. Diese Übergangskonsolidierung selbst ist erfolgsneutral.[3]

4.3.1 Konzernunternehmen unter eingeschränkter Beherrschungsmöglichkeit des Mutterunternehmens

 

Rz. 102

Das erste sachlich begründete Wahlrecht bei der Vollkonsolidierung von Tochterunternehmen besteht gem. § 296 Abs. 1 Satz 1 HGB dann, wenn erhebliche und andauernde Beschränkungen die Ausübung der Rechte des Mutterunternehmens in Bezug auf das Vermögen oder die Geschäftsführung dieses Unternehmens nachhaltig beeinträchtigen. Dieses Wahlrecht korrespondiert mit den in § 290 Abs. 2 HGB kodifizierten Festlegungen, wann stets ein beherrschender Einfluss eines Mutterunternehmens vorliegen soll. Auch diese Lösung ist rechtssystematisch als problematisch anzusehen, da in § 290 Abs. 1 HGB die Beherrschungsmöglichkeit die Voraussetzung für ein Mutter-Tochter-Verhältnis ist. Es ist somit der Fall denkbar, dass ein Mutterunternehmen die Stimmrechtsmehrheit besitzt, aufgrund eines bestehenden und nicht änderbaren Beherrschungsvertrags aber keinen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Eigentlich müsste gar nicht bis § 296 HGB geprüft werden, wenn bereits nach § 290 Abs. 1 HGB die Beherrschungsmöglichkeit verneint würde.[1] Daher kann diese Vorschrift als Widerlegungsklausel verstanden werden (DRS 19.81), wenngleich durch die zusätzliche in § 290 HGB explizierte Voraussetzung der Beherrschungsmöglichkeit diese Widerlegung nur noch sehr selten greifen dürfte. Besteht eine Beherrschungsmöglichkeit nicht, so kann nach der hier vertretenen Auffassung auch kein Mutter-Tochter-Verhältnis vorliegen und es kommt somit auch gar nicht zu einem Anwendungsfall für § 296 Abs. 1 Nr. 1 HGB.[2] Durch das Konsolidierungswahlrecht soll gewährleistet werden, dass in den Konzernabschluss nur Tochterunternehmen einbezogen werden, die tatsächlich zum Einflussbereich des Mutterunternehmens gehören, bei denen also das Mutterunternehmen seine ihm zustehenden Rechte auch tatsächlich ausüben kann, nicht aber tatsächlich ausüben muss.[3] Voraussetzungen für das Vollkonsolidierungswahlrecht, die kumulativ zu erfüllen sind und jeweils restriktiv ausgelegt werden, sind:

  • Die Art der Beeinträchtigung muss in der Beschränkung der Ausübung der Rechte bezüglich Vermögen oder Geschäftstätigkeit liegen.
  • Das Ausmaß der Beeinträchtigung muss sich auf erhebliche Beschränkungen beziehen.
  • Der Zeitraum der Beeinträchtigung muss nachhaltig und andauernd sein.

Denkbar sind somit lediglich Anwendungen in Grenzbereichen, wenn es etwa um die Frage der Abgrenzung der andauernden Beeinträchtigung geht.

 

Rz. 103

Die Beschränkungen des Mutterunternehmens in Bezug auf die Geschäftsführung oder das Vermögen des Tochterunternehmens können restriktiv ausgelegt, i. d. R. nur tatsächlicher Natur[4] sein, wie die Eröffnung von Zwangsverwaltungs- oder Konkursverfahren und Auswirkungen politischer Verhältnisse, wie Tätigkeitsverbote für Ausländer in Geschäftsorganen, Kriegswirren oder staatliche Produktionsbeschränkungen.

 
Praxis-Beispiel

Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die Einbeziehung von Tochterunternehmen

International agierende Unternehmen gerieten durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine in ein enormes moralisches Dilemma – einerseits wurde die Forderung nach einem möglichst sofortigen Rückzug aller Aktivitäten aus Russland erhoben, andererseits mussten die daraus resultierenden Folgen für die dortigen Mitarbeiter und Kunden bedacht werden.

In diese hochproblematische Gemengelage schafft die staatliche Regulierung schnell Fakten, an denen die betroffenen Unternehmen nicht mehr vorbeikamen. So durften etwa US-Unternehmen und deren Beteiligungen lt. US-Gesetz seit dem 23.6.2022 keine Steuern mehr an den russischen Staat zahlen. Doch wen...

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