Leitsatz

1. Kontrollmitteilungen aus Anlass von Bankenprüfungen sind, wenn keine legitimationsgeprüften Konten oder Depots betroffen sind, nach § 194 Abs. 3 AO grundsätzlich ohne besonderen Anlass zulässig. Aus § 30a Abs. 1 AO ergibt sich keine weitergehende Auswertungsbeschränkung "im Bankenbereich".

2. Ein bankinternes Aufwandskonto ist kein legitimationsgeprüftes Konto i.S.d. § 154 Abs. 2 AO. Buchungsbelege zu diesem Konto, die ein legitimationsgeprüftes Konto oder Depot betreffen, fallen gleichwohl unter den Schutz des § 30a Abs. 3 S. 2 AO, weil sie notwendigerweise auch zu diesem Kundenkonto gehören.

3. § 30a Abs. 3 AO entfaltet auch im Rahmen nicht strafrechtlich veranlasster, typisch steuerrechtlicher Ermittlungen zur Gewinnung von Prüfmaterial für die Veranlagung keine "Sperrwirkung", wenn ein hinreichender Anlass für die Kontrollmitteilung besteht (Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 28.10.1997, VII B 40/97, BFH/NV 1998, 424).

4. "Hinreichend veranlasst" ist eine Kontrollmitteilung dann, wenn das zu prüfende Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben oder eine für Steuerhinterziehung besonders anfällige Art der Geschäftsabwicklung erkennen lassen, die – mehr als es bei Kapitaleinkünften aus bei Banken geführten Konten und Depots stets zu besorgen ist – dazu verlockt, solche Einkünfte dem FA zu verschweigen, wenn also eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Entdeckung unbekannter Steuerfälle besteht.

5. Der hinreichende Anlass für die "Nachprüfung der steuerlichen Verhältnisse" muss sich anhand der konkreten Ermittlungen im Einzelfall und der in vergleichbaren Prüfsituationen gewonnenen verallgemeinerungsfähigen Erkenntnisse nachvollziehbar ergeben.

 

Normenkette

§ 30a, § 154 Abs. 2, § 194 Abs. 3 AO

 

Sachverhalt

Bei einem Kreditinstitut war eine Außenprüfung durchgeführt worden, bei der das Aufwandskonto "Wertpapier-Fehlgeschäfte" geprüft worden war. Auf diesem Konto wurden Schadenersatzzahlungen gebucht, die wegen fehlerhaft ausgeführter Wertpapieraufträge an Kunden geleistet worden waren. Dem Prüfer lagen zu diesem Konto auch Belege vor, wie Schriftwechsel mit den betroffenen Kunden sowie Auszüge aus den Depots.

Das FA möchte zu den Steuerakten von 34 Kunden Kontrollmitteilungen anfertigen und an die Wohnsitz-FÄ der Kunden weiterleiten, in denen es lediglich mitteilen will, dass Schadenersatz aus einem fehlerhaft ausgeführten Wertpapiergeschäft geleistet worden ist.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Sache an das FG (FG Münster, Urteil vom 16.03.2007, 11 K 4627/03 AO, Haufe-Index 1729118, EFG 2007, 970) zurückgegeben, weil die bisher getroffenen Festsstellungen nicht ausreichten, um zu beurteilen, ob ein "hinreichender Anlass" für die beabsichtigten Kontrollmitteilungen besteht. Hohe Schadenersatzleistungen oder große Depotbestände rechtfertigten als solche nicht den Verdacht der Steuerunehrlichkeit.

 

Hinweis

§ 194 Abs. 3 AO gestattet Kontrollmitteilungen über Erkenntnisse, die der Prüfer anlässlich der Prüfung gewinnt; er darf also nicht gezielt nach Besteuerungsgrundlagen Dritter suchen (BFH, Beschluss vom 04.04.2005, VII B 305/04, BFH/NV 2005, 1226; BFH, Urteil vom 04.10.2006, VIII R 54/04, BFH/NV 2007, 190). Einen besonderen Anlass für eine Kontrollmitteilung verlangt § 194 Abs. 3 AO aber nach der (nicht unangefochtenen) Rechtsprechung des BFH nicht. Allerdings soll der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten sein, woraus bisher kaum jemals konkrete Folgerungen gezogen worden sind.

§ 30a Abs. 3 AO schränkt nach der Rechtsprechung des VII. Senats des BFH die Kontrollmitteilungs-Befugnis des FA allerdings ein. Bei legitimationsgeprüften Guthabenkonten und Depots sollen Kontrollmitteilungen nur rechtmäßig sein, sofern ein hinreichender Anlass für die Annahme besteht, dass weitere Ermittlungen zur Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen führen können. Zu solchen Konten/Depots rechnet der BFH auch die Belege, die bei einem an sich nicht legitimationsgeprüften Konto (wie dem hier geprüften Aufwandskonto) den Bezug zu legitimationsgeprüften Konten der Kunden ermöglichen (funktionaler Kontenbegriff).

Nach § 30a Abs. 3 S. 2 AO "soll" die Ausschreibung von Kontrollmitteilungen "insoweit" unterbleiben, als nach S. 1 legitimationsgeprüfte Depots "nicht zwecks Nachprüfung der ordnungsmäßigen Versteuerung festgestellt oder abgeschrieben werden" dürfen. Die Formulierung gibt auch in ihrem Verhältnis zu S. 1 der Vorschrift manches Rätsel auf. Der BFH löst diese Rätsel jetzt wie folgt auf:

Bei nicht strafrechtlich veranlassten Ermittlungen (kein "Anfangsverdacht") zur Gewinnung bloßen Prüfmaterials für die Veranlagung ist ein "hinreichender Anlass" für die Kontrollmitteilung erforderlich. Das bedeutet in diesem Zusammenhang (die Formel wird freilich auch bei § 208 AO gebraucht, hat dort aber einen nicht ohne Weiteres gleichzusetzenden Sinn!): Bei Abwägung zwischen der gesetzlichen Vorgabe, möglichst keine Kontrollmitteilungen auszuschreiben oder jedenfalls schonend dam...

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