Leitsatz

Bei der Prüfung, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG überschritten ist, sind Unterhaltsleistungen des verheirateten Kindes an seinen Ehepartner nicht Einkünfte mindernd zu berücksichtigen.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG, Art. 3 Abs. 1 GG, § 1601, § 1608 S. 1 i.V.m. § 1360, § 1360a BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger erhielt für seinen seit 1998 verheiraten studierenden Sohn S zunächst Kindergeld. Die Familienkasse hob die Festsetzung von Kindergeld für das Streitjahr 2002 auf, da das "Einkommen" des S den maßgeblichen Grenzbetrag überschritten habe. Der Einspruch des Klägers, mit dem er geltend machte, der Grenzbetrag werde bei Berücksichtigung der Unterhaltspflicht des S gegenüber dessen Ehefrau nicht erreicht, blieb erfolglos.

Das FG (FG Bremen, Urteil vom 19.07.2007, 4 K 69/05 (6), Haufe-Index 1848806, EFG 2008, 461) wies die Klage ab.

 

Entscheidung

… und der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Nach langjähriger Rechtsprechung des BFH haben Eltern eines verheirateten Kindes grundsätzlich keinen Anspruch auf Kindergeld, weil dessen Ehegatte vorrangig zum Unterhalt verpflichtet ist und daher nach der Eheschließung des Kindes kein Bedarf mehr für eine Entlastung der Eltern im Wege des Familienleistungsausgleichs besteht.

2. Dem Gesetzeswortlaut lässt sich diese Einschränkung nicht entnehmen. Eine typische Unterhaltssituation ist auch nicht mehr ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der einzelnen Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 EStG. Deshalb hat der BFH mit Urteil vom 17.06.2010, III R 34/09 (BFH/NV 2010, 1908, BFH/PR 2010, 431) den Ausschluss der Berücksichtigung vollzeitbeschäftigter Kinder aufgegeben. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Benachteiligung der Eltern verheirateter Kinder kaum noch rechtfertigen.

3. Diese Einschränkung hat jedoch nur geringe praktische Bedeutung, weil verheiratete Kinder in Mangelfällen weiter berücksichtigt werden. Ein Mangelfall liegt vor, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes einschließlich der Unterhaltsleistungen des Ehepartners den Grenzbetrag nicht überschreiten. Unterhaltsleistungen unterstellt der BFH dabei in Höhe der Hälfte der Differenz zwischen den Einkünften des unterhaltsverpflichteten Ehepartners und den geringeren eigenen Mitteln des Kindes, soweit dem Ehepartner ein verfügbares Einkommen i.H.d. steuerrechtlichen Existenzminimums verbleibt.

4. Im Besprechungsurteil ging es nicht um die bereits entschiedene Frage, in welcher Höhe Unterhaltsleistungen als Bezüge des Kindes anzunehmen sind. Es ging vielmehr darum, ob das bessergestellte Kind seinen Unterhalt, den es an den einkunftslosen Ehegatten leistet, abziehen kann. Der Gedanke einer Teilung der beiden Ehepartnern zur Verfügung stehenden Mittel legt dies nahe. Der BFH hat aber entschieden, dass Unterhaltsleistungen an den Ehegatten die Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht mindern:

  • Einkünfte dürfen zwar wie Bezüge nur angesetzt werden, wenn sie zur Bestreitung des Unterhalts und der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind (BVerfG, Beschluss vom 11.01.2005, 2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164). Gekürzt wird insoweit aber nur um die gesetzlich geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge und diesen entsprechende Aufwendungen (z.B. für eine private Krankenversicherung).
  • Unterhalt ist nur Verwandten in gerader Linie zu gewähren. Eltern müssen daher nur ihre eigenen Kinder und Enkel unterstützen, nicht aber den bedürftigen Ehepartner ihres Kindes. Der zivilrechtliche Lebensbedarf eines Kindes gegenüber den Eltern erhöht sich durch die Unterhaltspflichten gegenüber dessen Ehegatten nicht. Daher bedarf es auch keiner Entlastung von Eltern, deren verheiratete Kinder mit ihren Einkünften und Bezügen den maßgeblichen Grenzbetrag überschreiten.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 07.04.2011 – III R 72/07

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