Leitsatz

Als von der ESt zu verschonendes Existenzminimum eines Kindes ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht der nach bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen (z. B. Düsseldorfer Tabelle) ermittelte Betrag der Unterhaltspflicht maßgebend, sondern das nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen ermittelte Existenzminimum.

Da die Kinderfreibeträge der VZ 1990 bis 1997 dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum entsprechen, ist ihre Höhe verfassungsmäßig.

 

Sachverhalt

Die mittlerweile geschiedenen Kläger waren in den Streitjahren 1990 bis 1997 verheiratet und wurden zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie haben drei gemeinsame Kinder, die 1982, 1984 und 1987 geboren wurden. Die ESt-Bescheide 1990 bis 1997 waren hinsichtlich der Höhe der Kinderfreibeträge vorläufig ergangen.

Mit Änderungsbescheiden vom 17.11.2000 erklärte das Finanzamt die ESt-Bescheid hinsichtlich der Kinderfreibeträge für endgültig. Gegen diese ESt-Bescheide legten die Kläger Einspruch ein mit der Begründung, in den Streitjahren seien zu niedrige Kinderfreibeträge berücksichtigt worden.

Eine Gleichbehandlung mit Kinderlosen sei nur dann gewährleistet, wenn nicht nur das Existenzminimum der Kinder, sondern die tatsächliche finanzielle Belastung steuerlich berücksichtigt würde. Wenn nach bürgerlichem Recht eine über das Existenzminimum hinausgehende Unterhaltspflicht bestehe, deren Einhaltung zudem strafbewehrt sei, könne das Steuerrecht diese Aufwendungen nicht unberücksichtigt lassen. Die Kläger beantragten den Abzug der Beträge die sich ausgehend von den Unterhaltsbeträgen nach der Düsseldorfer Tabelle ergeben jeweils zuzüglich von 5% für Sonderbedarf.

Den Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung als unbegründet zurück.

Hiergegen erhoben die Kläger Klage. Aus den vom Finanzamt in der Einspruchsentscheidung zur Begründung herangezogenen Beschlüssen des BVerfG vom 10.11.1998 (2 BvL 42/93, BStBl 1999 II S. 174, 2 BvR 1852-53/97, BStBl 1999 II S. 194 und 2 BvR 1220/93, BStBl 1999 II 193) sei nicht zu entnehmen, ob über das Existenzminimum hinaus Aufwendungen in Höhe der gesetzlichen Unterhaltspflicht steuermindernd zu berücksichtigen seien.

 

Entscheidung

Die Klage ist unbegründet. Die vom Finanzamt berücksichtigten Kinderfreibeträge entsprechen den Vorgaben der Verfassung.

VZ 1990 - 1995

Durch das 1. FamFördG wurde § 53 EStG eingefügt und die Kinderfreibeträge für die Jahre 1983 bis 1995 angehoben.

Die Höhe der jeweiligen Kinderfreibeträge entspricht dem Existenzminimum eines Kindes. Maßstab dafür ist der sozialhilferechtlich definierte Bedarf (Regelsatz, Betrag für einmalige Leistungen, Mehrkosten für Kaltmiete und Heizkosten). Nach dem Beschluss des BVerfG vom 10.11.1998 (2 BvL 42/93, BStBl 1999 II S. 174) bietet das Sozialhilferecht eine das Existenzminimum eines Kindes zutreffend abbildende Größe. Das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum eines Kindes darf nach dem BVerfG jedenfalls diesen Betrag nicht unterschreiten. Für den Gesetzgeber besteht danach kein verfassungsrechtliches Gebot, den Aufwand, der einen über das sozialhilferechtliche Existenzminimum hinausgehenden Bedarf abdeckt, von der Besteuerung freizustellen.

In einem weiteren Beschluss vom 10.11.1998 (2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91 und 2 BvR 980/91, BStBl 1999 II S. 182) räumt das BVerfG dem Gesetzgeber

  • für die Berücksichtigung des Betreuungsbedarfs eines Kindes eine Übergangsfrist bis 31.12.1999 und
  • für die Berücksichtigung des Erziehungsbedarfs eine Übergangsfrist bis 31.12.2001

ein.

Daraus folge, dass das Gericht die unterbliebene steuerliche Berücksichtigung des Betreuungs- und des Erziehungsbedarfs in den jeweils früheren VZ für verfassungsrechtlich hinnehmbar hält.

Darüber hinaus sei es verfassungsrechtlich nicht geboten, den über das sozialhilferechtliche Existenzminimum hinausgehenden Betrag entsprechend der bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht steuerlich zu berücksichtigen (BFH, Urteil v. 24.7.1996, X R 152/90, BFH/NV 1996 S. 889; BVerfG, Beschluss v. 29.5.1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BStBl 1990 II S. 653).

Bei Anwendung von § 53 EStG und der zu seiner Umsetzung ergangenen BMF-Schreiben vom 14.3.2000 (BStBl I 2000, 413) und vom 30.1.2003 (BStBl I 2003, 125) ergibt sich für die Kläger kein zusätzlicher, über die in § 53 EStG ausgewiesenen Kinderfreibeträge hinausgehender steuerlicher Freistellungsbedarf.

Das Finanzamt erklärte die ESt-Bescheide 1990 bis 1995 danach zu Recht ohne weitere Änderung für endgültig.

VZ 1996 und 1997

Die Kinderfreibeträge für die VZ 1996 und 1997 entsprechen dem sächlichen Existenzminimum eines Kindes.Nach dem BFH-Urteil vom 21.7.2000 (VI R 153/99, BStBl 2000 II S. 506) bestehen gegen die Höhe des Kinderfreibetrags für 1997 keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Betreuungs- und Erziehungsbedarf war in den VZ 1996 und 1997 verfassungsrechtlich hinnehmbar noch nicht zu berücksichtigen.

 

Hinweis

1. Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts haben die Kläger Beschwerde eingelegt (Nichtzulassungs...

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