Leitsatz

Bei vorheriger Vereinbarung eines Kapitalwahlrechts kommt die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 EStG für die Einmalauszahlung einer Rente nicht in Betracht.

 

Sachverhalt

Die Steuerpflichtige hatte mit ihrem damaligen Arbeitgeber im Jahr 2005 die Umwandlung eines Teils ihres Gehalts in einen Anspruch auf Versicherungsschutz in Form von Beiträgen zu einer Direktversicherung nach dem BetrAVG vereinbart. Der Arbeitgeber schloss daraufhin für die Steuerpflichtige eine solche Versicherung mit einer Beitragszahlungsdauer von 14 Jahren ab. Danach sollte an sie eine lebenslängliche monatliche Rente gezahlt werden oder auf Antrag eine einmalige Kapitalabfindung erfolgen. Im Streitjahr 2019 übte die Steuerpflichtige das Kapitalwahlrecht aus und erhielt ca. 44.500 EUR ausbezahlt. Das Finanzamt behandelte den Auszahlungsbetrag als steuerpflichtige Rente nach § 22 Nr. 5 EStG und besteuerte ihn mit dem regulären Steuersatz. Im Klageverfahren machte die Steuerpflichtige dagegen die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes geltend.

 

Entscheidung

Die eingelegte Klage hatte keinen Erfolg. Das FG entschied, dass die Kapitalauszahlung nicht als außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern ist. Zwar ist der Wortlaut des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, wonach Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten außerordentliche Einkünfte darstellen, erfüllt. Jedoch fehlt es an dem für diese Vorschrift zusätzlich erforderlichen ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal der Außerordentlichkeit. Der BFH stellt in seiner neueren Rechtsprechung zwischenzeitlich darauf ab, ob das Kapitalwahlrecht nur in atypischen Einzelfällen tatsächlich ausgeübt wird, wofür statistisches Material von Organisationen und Verbänden der Anbieter ausgewertet werden muss (BFH, Urteil v. 11.6. 2019, X R 7/18 und BFH, Urteil v. 6.5.2020, X R 24/19). Bei Anwendung dieser Rechtsprechung liegt keine Außerordentlichkeit vor, da die Steuerpflichtige die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen trägt, im Streitfall jedoch keine diesbezüglichen Nachweise erbracht wurden. Das FG hat Bedenken, ob die neuere Sicht des BFH überhaupt praktikabel ist. Im Streitfall würden aber auch nach der früheren BFH-Rechtsprechung die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht vorliegen, da ein Kapitalwahlrecht von vornherein vereinbart war.

 

Hinweis

Das FG hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, um dem BFH Gelegenheit zu geben, über die Ausschärfung der Kriterien zur Bestimmung der Atypik bei Kapitalauszahlungen von Renten erneut zu entscheiden. Nach Auffassung des FG ist der BFH bei seinen bisherigen Entscheidungen (irrtümlich) davon ausgegangen, dass statistisches Material über die Häufigkeit der Ausübung von Kapitalwahlrechten verfügbar ist. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Steuerpflichtige ihr Revisionsrecht nutzt, damit diese Rechtsfrage abschließend höchstrichterlich geklärt werden kann.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil v. 24.10.2023, 1 K 1990/22 E

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