Leitsatz

1. § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG schließt beim Nacherben die steuerliche Erfassung von Vermögenswerten aus, die er selbst durch Baumaßnahmen auf einem nachlasszugehörigen Grundstück zu Lebzeiten des Vorerben in Erwartung der Nacherbfolge geschaffen hat.

2. Die Bereicherung des Nacherben mindert sich um den Betrag, um den die von ihm durchgeführten Baumaßnahmen den Grundbesitzwert erhöht haben.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG, § 951, §§ 812 ff. BGB

 

Sachverhalt

Der Kläger ist Nacherbe eines 1987 verstorbenen Landwirts. Die Vorerbin verstarb 2000. Seit 1991 bewirtschaftete der Kläger den Hof und führte noch vor 2000 umfangreiche Baumaßnahmen an den Wohnungen des Hofs durch. Diese Baumaßnahmen erhöhten die auf den Todestag der Vorerbin festgestellten Grundbesitzwerte für das Altenteilerhaus sowie den Wohnteil des Hofs erheblich.

Das Begehren des Klägers, die Aufwendungen für die Baumaßnahmen als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen, lehnten FA und FG (FG Düsseldorf, Urteil vom 18.10.2006, 4 K 1915/05 Erb, Haufe-Index 1827698, EFG 2007, 1966) ab.

 

Entscheidung

Der BFH gab dem Kläger im Ergebnis recht. Zwar hätten ihm weder vertragliche Aufwendungsersatzansprüche noch Vergütungsansprüche gem. § 951 Abs. 1 S. 1 i.V.m. den §§ 812 ff. BGB gegen die Vorerbin zugestanden; das in § 10 Abs. 1 S. 1 ErbStG verankerte Bereicherungsprinzip schließe aber eine Besteuerung selbstgeschaffener Vermögenswerte aus.

Die festgestellten Grundbesitzwerte entsprächen nicht der Bereicherung des Klägers und bedürften deshalb der Korrektur. Zu diesem Zweck sei formlos – ggf. mithilfe des Lagefinanzamts – ein Grundbesitzwert zu ermitteln, bei dem die Baumaßnahmen hinweggedacht sind.

 

Hinweis

Führt jemand in Erwartung eines künftigen Eigentumserwerbs auf dem Grundstück eines anderen Baumaßnahmen durch, hat er gegen den Grundstückseigentümer bzw. dessen Erben einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB, wenn sich die Erwartung später nicht erfüllt, d.h. – in der Sprache des Gesetzes – wenn der mit den Baumaßnahmen nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt."Rechtsgeschäft" ist dabei nicht in dem Sinn zu verstehen, dass sich der Grundstückseigentümer verpflichtet haben muss, den Erfolg, nämlich den Eigentumswechsel, herbeizuführen; vielmehr reicht eine stillschweigende Einigung über den mit den Baumaßnahmen bezweckten Erfolg aus, die bereits dann anzunehmen ist, wenn der Grundstückseigentümer die Erwartung des die Baumaßnahmen Durchführenden kennt und durch deren Geschehenlassen zu verstehen gibt, dass er die Zweckbestimmung billigt (vgl. BGH, Urteil vom 29.11.1965, VII ZR 214/63, BGHZ 44, 321).

Soweit es dazu etwa wegen der Baumaterialien eines Rückgriffs auf § 951 Abs. 1 S. 1 BGB bedarf, ergibt sich bei Ausbleiben des erwarteten Eigentumserwerbs ein einheitlicher Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 BGB (so BGH, Urteil vom 18.09.1961, VII ZR 118/60, BGHZ 35, 356).

Bei Eintritt des erwarteten Eigentumserwerbs bedarf es keines Bereicherungsanspruchs, weil der potenzielle Anspruchsinhaber im Rahmen seines Eigentumserwerbs wertmäßig ohnehin bereits das erhalten hat, was er mittels eines solchen Anspruchs hätte erhalten können. Erbschaftsteuerrechtlich steht damit eine Verpflichtung des bisherigen Grundstückseigentümers zur Herausgabe der Bereicherung als abziehbarer Schuldposten i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG nicht zur Verfügung. Dies ist im Rahmen des Bereicherungserfordernisses aufzufangen. Erhält derjenige, der die Baumaßnahmen durchgeführt hat, durch Eintritt des erwarteten Eigentumserwerbs etwas, worauf er bei Ausbleiben des Erwerbs wertmäßig einen Anspruch gehabt hätte, kann er insoweit durch den Erwerb keine Vermögensmehrung erfahren haben. Der Umfang, in dem sich dieser Gesichtspunkt bereicherungsmindernd auswirkt, ergibt sich aus dem zweiten Leitsatz.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 01.07.2008, II R 38/07

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