Leitsatz

1. Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind privat veranlasst und stellen keine (vorweggenommenen) Werbungskosten bei späteren Unterhaltseinkünften im Sinne des § 22 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar.

2. Erst der mit Zustimmung des Empfängers gestellte Antrag des Gebers gemäß § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG bewirkt eine Umqualifizierung der Unterhaltsleistungen zu Sonderausgaben beim Geber und steuerbaren Einkünften beim Empfänger und überführt sie rechtsgestaltend in den steuerrechtlich relevanten Bereich.

3. Die Umqualifizierung markiert die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen; zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers können keine Werbungskosten darstellen.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2, § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1, § 12 Nr. 1 Satz 2, § 22 Nr. 1a, § 33 EStG

 

Sachverhalt

Im September 2014 war die Ehe der Klägerin geschieden und ihr Ehemann (B) verpflichtet worden, nachehelichen Unterhalt i. H. v. 582,50 EUR monatlich zu zahlen. Das daraufhin von der Klägerin geführte Beschwerdeverfahren wurde am 4.3.2015 vor dem OLG durch einen Vergleich beendet, in welchem sich B zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von 900 EUR monatlich verpflichtete. Die Verfahrenskosten wurden in beiden Verfahren jeweils gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin entrichtete die auf sie entfallenden Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015.

In dem ESt-Bescheid 2015 erfasste das FA die von der Klägerin erklärten Einnahmen aus Unterhaltsleistungen (10.800 EUR) abzüglich des Werbungskosten-Pauschbetrags (102 EUR) mit 10.698 EUR als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 1a EStG); die als außergewöhnliche Belastungen geltend gemachten, im Streitjahr von der Klägerin getragenen Anwalts- und Gerichtskosten i. H. v. 7.082 EUR blieben unberücksichtigt.

Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (FG Münster, Urteil vom 3.12.2019, 1 K 494/18 E, Haufe-Index 13595823, EFG 2020, 185). Das FG berücksichtigte die (anteiligen) Prozesskosten der Klägerin i. H. v. knapp 5000 EUR (unter Anrechnung des Werbungskosten-Pauschbetrags von 102 EUR) als Werbungskosten bei den Einnahmen der Klägerin aus den Unterhaltszahlungen.

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grund hierfür war, dass das FG – auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig (vgl. § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG) – offengelassen hat, ob die streitigen Prozesskosten der Klägerin gegebenenfalls als außergewöhnliche Belastungen i. S. d. § 33 EStG berücksichtigt werden könnten. Dementsprechend hat das FG auch keine ausreichenden Feststellungen insbesondere dazu getroffen, ob die Voraussetzungen der Ausnahme vom Abzugsverbot betreffend Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG vorliegen. Zur Nachholung der notwendigen Feststellungen geht die Sache daher an das FG zurück.

 

Hinweis

1. Auch bei den Einkünften aus § 22 Nr. 1a EStG können Werbungskosten entstehen, jedoch aus systemimmanenten Gründen nur in begrenztem Rahmen. Denn zu berücksichtigen ist hier, dass der Antrag des Gebers und die Zustimmung des Empfängers rechtsgestaltend sind. Sie überführen die – an sich privaten – Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und ändern so ihren Rechtscharakter.

Beim Geber werden die Unterhaltsleistungen in Sonderausgaben umqualifiziert, die gemäß § 2 Abs. 4, 5 EStG den Gesamtbetrag der Einkünfte und damit im Ergebnis auch sein zu versteuerndes Einkommen mindern. Bei dem Empfänger werden die sonst nicht steuerbaren Unterhaltsleistungen (erst) durch die in § 22 Nr. 1a EStG enthaltene Bezugnahme in steuerbare Einkünfte umqualifiziert (vgl. BFH; Urteile vom 9.12.2009; X R 49/07, BFH/NV 2010, 1790, unter II.1.b, und BFH, Urteil vom 28.7.2021, X R 15/19, BFH/NV 2022, 367, BStBl II 2023, 31, Rz. 18 f., zu § 22 Nr. 1a EStG, § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG in der bis VZ 2014 geltenden Fassung).

2. Der Antrag hat somit eine Doppelfunktion: Er ist nicht nur Verfahrensvoraussetzung für die steuerliche Berücksichtigung der Unterhaltsleistungen, sondern gleichzeitig materiell-rechtliche Voraussetzung für die Abzugsmöglichkeit dem Grunde nach.

Die Steuerpflicht dieser Leistungen bei dem Empfänger hängt somit nicht davon ab, ob und inwieweit der Sonderausgabenabzug beim Geber tatsächlich zu einer Steuerminderung geführt hat. Bereits mit der Einreichung der ESt-Erklärung des Gebers samt Anlage U und Zustimmung des Empfängers tritt das Ereignis einer rechtsgestaltenden Umqualifizierung ein, welches zur Steuerbarkeit der Unterhaltsleistungen nach § 22 Nr. 1a EStG führt.

3. Vor diesem Hintergrund stellt der (zustimmungsgebundene) Antrag des Unterhaltsgebers auf Sonderausgabenabzug, der den Rechtscharakter der Unterhaltsleistungen ändert, auch die zeitliche Grenze dar, von der an abzugsfähige Erwerbsaufwendungen überhaupt entstehen können.

Zuvor verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers können keine Werbungskosten begründen, da si...

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