Rz. 62

Einen noch weiteren zeitlichen Gestaltungsspielraum bietet die nach § 241 Abs. 2 HGB u. U. zulässige "permanente Inventur". Sofern ein GoB-konformes Verfahren sicherstellt, dass der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch ohne körperliche Bestandsaufnahme festgestellt werden kann, kann/können (beim Vorratsvermögen) der Tag/die Tage der körperlichen Bestandsaufnahme über das Geschäfts-/Wirtschaftsjahr frei gewählt oder sogar (beim beweglichen Anlagevermögen) auf eine körperliche Bestandsaufnahme verzichtet werden. Die Inventarpositionen werden dann zum Bilanzstichtag aus den laufenden ("permanenten") Bestandsfortschreibungen der Buchführung übernommen.

 

Rz. 63

Für steuerliche Zwecke konkretisieren die Voraussetzungen R 5.4 Abs. 4 EStR für Anlagevermögen und H 5.3 EStR "Permanente Inventur" für Vorratsvermögen. Handelsrechtlich gelten diese Regelungen entsprechend,[1] weil die Finanzverwaltung damit Handelsrecht auslegt.

 

Rz. 64

Beim beweglichen Anlagevermögen (sog. Anlageninventur) wird die

Führung eines laufenden Bestandsverzeichnisses mit sämtlichen Zu- und Abgängen sowie mit folgenden detaillierten Angaben vorausgesetzt:

  • genaue Gegenstandsbezeichnung,
  • Bilanzwert am Bilanzstichtag,
  • Anschaffungs-/Herstellungstag,
  • Anschaffungs-/Herstellungskosten (oder Ersatzwert),
  • Abgangstag,
  • ggf. auch Abschreibungsmethode und Nutzungsdauer, Zuschreibungen.

Das laufende Bestandsverzeichnis kann als "Anlagenkartei" (auch "Anlagendatei") geführt werden. Wenn wegen der Vielzahl der Angaben die Übersichtlichkeit nicht beeinträchtigt wird, können auch die "Sachkonten" der Geschäftsbuchführung als laufendes Bestandsverzeichnis gelten.[2]

 

Rz. 65

Körperliche Bestandsaufnahmen sind dann überhaupt nicht erforderlich,[3] weil davon ausgegangen werden kann, dass es beim beweglichen Anlagevermögen nur zu geringeren bestandsmäßigen Veränderungen kommt, da sich aus dem Betriebsablauf zwangsläufig eine ständige Kontrolle der wesentlichen Teile des beweglichen Anlagevermögens ergibt und das Verfahren der Abgangsmeldung ordnungsmäßig geregelt ist. Bewegliche Anlagegüter sollten dennoch von Zeit zu Zeit, z. B. alle 3 Jahre, körperlich überprüft werden, da dies allgemeinen Ordnungsgrundsätzen entspricht.[4]

 

Rz. 66

Beim Vorratsvermögen werden an die sog. permanente Vorratsinventur, wegen der schnelleren Veränderungen des Vorratsvermögens, strengere Anforderungen gestellt[5]:

  • laufende Bestandsführung mit Eintragung aller Bestände, Zu- und Abgänge einzeln nach Tag, Art und Menge; belegmäßiger Nachweis der Veränderungen,
  • einmal jährliche – zeitlich beliebig platzierte – körperliche Bestandsaufnahme[6]; auch zeitlich verteilte Teilaufnahmen für einzelne Vorräte-Gruppen sind möglich, jedoch ist Vollerhebung statt Stichprobenverfahren geboten,
  • Protokollierung und Auswertung (Buchwertangleichung) der Bestandsaufnahme sowie 10 Jahre Protokollaufbewahrung,
  • es darf sich nicht um "besonders wertvolle" Wirtschaftsgüter handeln,[7]
  • es darf sich nicht um Bestände handeln, bei denen beträchtliche unkontrollierte Abgänge eintreten und sich diese nicht durch Erfahrungswerte schätzen lassen.[8]
 

Rz. 67

Sind die Voraussetzungen für die permanente Inventur erfüllt, können die buchmäßig errechneten Bestände des fortlaufend geführten Bestandsverzeichnisses bzw. der Lagerbuchführung zum Abschlussstichtag als "Inventurbestände" in das Inventar übernommen werden.

 

Rz. 68

Vorteile der permanenten Inventur sind:

  • die freie Wahl des Inventurstichtags (Vorratsvermögen) bzw. der Verzicht auf eine Bestandsaufnahme (Anlagevermögen),
  • laufende Verbrauchserfassung durch fortlaufende Bestandserfassung (kurzfristige Erfolgsrechnung, schnelle Reaktionsmöglichkeiten),
  • kostengünstige körperliche Bestandsaufnahmen an Tagen geringer Bestände und geringster Störungen des Betriebsablaufs.
 

Rz. 69

Nachteilig wirkt sich u. U. aus, dass nicht bestimmungsgemäßer Verbrauch, wie Schwund, Diebstahl etc., beim beweglichen Anlagevermögen nicht oder beim Vorratsvermögen erst verspätet erkannt wird. In beiden Fällen ist eine zuverlässige Bestandsführung (Anlagenkartei bzw. Lagerbuchführung) als Nebenbuchführung erforderlich, die laufend geführt und gepflegt werden muss. Über die Durchführung und das Ergebnis der körperlichen Bestandsaufnahme sind Protokolle zu erstellen, die unter Angabe des Zeitpunkts der Aufnahme von den aufzunehmenden Personen zu unterzeichnen sind. Diese Protokolle sind wie Handelsbücher 10 Jahre aufzubewahren.[9]

[1] Vgl. IDW HFA 1/1990, WPg 1990, S. 144 f.; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmung, 1998, § 241 HGB Rz. 25.
[3] Vgl. R 5.4 Abs. 4 EStR; IDW HFA 1/1990, WPg 1990, S. 144.
[4] Vgl. Petersen/Zwirner, in Castan/Heyman/Müller/Ordelheide/Scheffler, Beck’sches HdR, A 230 Rz. 19. Ebenso für körperliche Bestandsaufnahmen in mehrjährigem Turnus: AWV Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V., Vereinfachung bei der Verwaltung des Sachanlagevermögens, 1997.
[5] H 5.3 EStR "permanente Inventur".
...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge